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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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fröhliche Gloria im Verlauf des Abends im Speisesaal häufiger Cocktails schlürfte.
    Der Samstag endete im Allgemeinen in glanzvoller Konfusion – oft erwies es sich als notwendig, einem benebelten Gast beim Zubettgehen behilflich zu sein. Der Sonntag bescherte die New Yorker Zeitungen und einen ruhigen Vormittag, an dem man sich auf der Veranda erholte – und der Sonntagnachmittag bedeutete die Verabschiedung der ein, zwei Gäste, die in die Stadt zurückkehren mussten, und eine große Wiederbelebung des Gelages mit den ein, zwei Gästen, die bis zum nächsten Tag blieben, und schloss mit einem vergnüglichen, wenn nicht gar übermütigen Abend.
    Der getreue Tana, von Natur Pädagoge und von Beruf Mädchen für alles, war zusammen mit ihnen zurückgekehrt. Angestammte Gäste trieben wiederholt ihren Scherz mit ihm. Eines Nachmittags hatte Maury Noble die Bemerkung [310] gemacht, Tanas eigentlicher Name sei Tannenbaum, er sei ein deutscher Agent, der sich im Lande aufhalte, um in Westchester County teutonische Propaganda zu verbreiten. Danach trafen zur Verblüffung des Orientalen mysteriöse Briefe aus Philadelphia ein, die an einen gewissen »Lt. Emil Tannenbaum« adressiert und mit zwei senkrechten Reihen stimmungsvoller, drolliger japanischer Schriftzeichen geschmückt waren. Anthony überreichte sie Tana stets, ohne eine Miene zu verziehen; noch Stunden später sah man, wie der Empfänger in der Küche über ihnen brütete und ernsthaft erklärte, die senkrechten Symbole seien kein Japanisch und ähnelten diesem nicht im Entferntesten.
    Seit Gloria eines Tages unerwartet aus dem Dorf zurückgekommen war und ihn ertappt hatte, wie er, auf Anthonys Bett hingefläzt, versuchte, eine Zeitung zu entziffern, empfand sie dem Mann gegenüber eine starke Abneigung. Sämtliche Bediensteten fassten eine instinktive Zuneigung zu Anthony und verabscheuten Gloria, und Tana war keine Ausnahme. Allerdings hatte er gründlich Angst vor ihr und ließ seine Abneigung nur in launischeren Augenblicken durchschimmern, wenn er feinsinnig Bemerkungen an Anthony richtete, die für ihr Ohr bestimmt waren.
    »Was Miss Pats fül Abendessen wollen?«, sagte er dann etwa und schaute dabei seinen Herrn an. Oder er beklagte sich auf eine Weise über die erbitterte Selbstsucht der »amelikanischen Leute«, die keinen Zweifel daran ließ, wer besagte »Leute« waren.
    Aber sie wagten es nicht, ihn zu entlassen. Ein solcher Schritt wäre ihrer Trägheit zuwidergelaufen. Sie erduldeten Tana, wie sie schlechtes Wetter, körperliche Krankheiten [311] und den ehrenwerten Willen Gottes erduldeten – wie sie alles erduldeten, sogar sich selbst.
    Im Dunkeln
    Eines schwülen Nachmittags Ende Juli rief Richard Caramel aus New York an, um zu sagen, dass er und Maury hinauskommen und einen Freund mitbringen würden. Sie trafen leicht angeheitert gegen fünf ein, und zwar in Begleitung eines kleinen, gedrungenen Mannes von fünfunddreißig Jahren, den sie als Mr. Joe Hull vorstellten, einen der feinsten Kerle, die Anthony und Gloria je kennengelernt hätten.
    Joe Hull hatte einen gelben Bart, der unablässig aus seiner Haut hervorspross, und eine tiefe Stimme, die zwischen einem Kontrabass und heiserem Flüstern schwankte. Anthony trug Maurys Koffer nach oben, folgte ihm ins Zimmer und schloss sorgsam die Tür hinter sich.
    »Wer ist dieser Kerl?«, wollte er wissen.
    Maury kicherte begeistert.
    »Wer, Hull? Ach, der ist in Ordnung. Ein feiner Kerl.«
    »Ja, aber wer ist er?«
    »Hull? Einfach ein feiner Kerl. Ein Prinz.« Sein Gelächter verdoppelte sich und gipfelte in einer Abfolge vergnügter katzengleicher Grimassen. Anthony zauderte zwischen einem Lächeln und einem Stirnrunzeln.
    »Irgendwie kommt er mir seltsam vor. Komische Kleidung« – er hielt inne –, »ich habe den schleichenden Verdacht, dass du ihn gestern Abend irgendwo aufgelesen hast.«
    [312] »Dass ich nicht lache!«, meinte Maury. »Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang.« Da er seine Aussage jedoch mit einer weiteren Folge von Glucksern krönte, sah sich Anthony zu der Bemerkung veranlasst: »Wer’s glaubt!«
    Später, kurz vor dem Abendessen, zog Gloria Anthony ins Speisezimmer, während Maury und Dick sich lärmend unterhielten und Joe Hull schweigend zuhörte und an seinem Drink nippte.
    »Ich mag diesen Hull nicht«, sagte sie. »Ich wünschte, er würde Tanas Badewanne benutzen.«
    »Ich kann ihn schlecht darum bitten.«
    »Jedenfalls will ich ihn nicht in unserer

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