Die Schönen und Verdammten
haben.«
»Er scheint mir ein schlichtes Gemüt zu sein.«
»Er hat weiße Schuhe an, die wie Handschuhe aussehen. Ich kann richtig seine Zehen sehen. Uh! Wer ist er überhaupt?«
»Da fragst du mich zu viel.«
»Die haben vielleicht einen Nerv, ihn einfach anzuschleppen. Das hier ist schließlich keine Seemannsmission!«
»Die waren sternhagelvoll, als sie angerufen haben. Maury sagte, sie wären seit gestern Nachmittag auf Sauftour.«
Gloria schüttelte verärgert den Kopf und kehrte wortlos auf die Veranda zurück. Anthony sah, dass sie versuchte, ihre Unsicherheit zu vergessen und den Abend doch noch zu genießen.
Es war ein tropisch heißer Tag gewesen, und noch bis in die späte Dämmerung hinein vibrierte die flimmernde Hitze, die von der trockenen Straße aufstieg, leicht wie zitterndes Alabasterglas. Der Himmel war wolkenlos, doch weit hinter den Wäldern in Richtung des Sound hatte ein [313] schwaches, aber hartnäckiges Grollen eingesetzt. Als Tana sie zum Essen rief, gingen die Männer mit Glorias Billigung ohne Jackett ins Haus.
Maury setzte zu einem Song an, den sie während der Vorspeise mehrstimmig zu Ende sangen. Er bestand aus zwei Versen und wurde zu einer volkstümlichen Melodie namens Daisy Dear gesungen. Die Verse lauteten:
The – pan-ic – has – come – over us,
So ha-a-as – the moral decline!
Jedes Absingen wurde überschwenglich und mit lang anhaltendem Applaus gefeiert.
»Kopf hoch, Gloria!«, empfahl Maury. »Du wirkst ziemlich deprimiert.«
»Bin ich aber nicht«, log sie.
»Hier, Tannenbaum!«, rief er über seine Schulter. »Ich hab dir ein Glas eingeschenkt. Komm schon!«
Gloria versuchte, ihn zurückzuhalten.
»Bitte nicht, Maury!«
»Warum denn nicht? Vielleicht spielt er uns nach dem Essen etwas auf der Flöte vor. Da, Tana.«
Grinsend trug Tana das Glas in die Küche. Kurz darauf gab Maury ihm ein anderes.
»Kopf hoch, Gloria!«, rief er. »Um Himmels willen, nun muntert doch Gloria ein bisschen auf!«
»Liebste, trink doch noch etwas«, riet Anthony.
»Trink doch bitte!«
»Kopf hoch, Gloria«, sagte Joe Hull unbeschwert.
Bei dieser dreisten Anrede mit ihrem Vornamen zuckte [314] Gloria zusammen. Sie schaute umher, um zu sehen, ob noch jemand es gehört hatte. Dass ihr Name einem Mann, gegen den sie eine unüberwindbare Abneigung gefasst hatte, so glatt über die Lippen kam, wirkte abstoßend auf sie. Einen Moment später bemerkte sie, dass Joe Hull Tana ein weiteres Glas gereicht hatte, und ihr Ärger wuchs, weiter verstärkt durch die Wirkung des Alkohols.
»…und einmal«, sagte Maury gerade, »sind Peter Granby und ich in Boston gegen zwei Uhr morgens in ein Badehaus gegangen. Außer dem Besitzer war niemand da, da haben wir ihn in einen Besenschrank geschubst und die Tür verriegelt. Dann kam jemand herein und wollte ein Schwitzbad. Meine Güte, der dachte, wir wären die Masseure! Wir haben ihn einfach gepackt und ihn in voller Bekleidung ins Becken geschmissen. Dann haben wir ihn wieder herausgefischt, auf einen Tisch gelegt und ihn grün und blau geschlagen. ›Nicht so grob, Leute!‹ hat er mit leise quiekender Stimme gesagt. ›Bitte!‹«
War das Maury? fragte sich Gloria. Jeder andere hätte sie mit dieser Geschichte amüsiert, aber Maury, der unendlich verständige Maury, diese Apotheose an Takt und Rücksichtnahme…
The – pan-ic – has come – over us,
So ha-a-as…
Der Rest des Liedes wurde von einem Donnergrollen übertönt; Gloria erschauderte und versuchte, ihr Glas zu leeren, aber bereits beim ersten Schluck wurde ihr übel, und sie stellte es wieder hin. Das Essen war zu Ende, und sie [315] gingen gemeinsam ins große Zimmer und nahmen etliche Flaschen und Karaffen mit. Jemand hatte die Verandatür geschlossen, um den Wind nicht hereinzulassen, daher stiegen in der stickigen Luft bereits die kreisrunden Fangarme des Zigarrenqualms auf.
»Man rufe Leutnant Tannenbaum!« Wieder war es dieser Wechselbalg Maury. »Er bringe die Flöte mit!«
Anthony und Maury stürzten zur Küche; Richard Caramel kurbelte das Grammophon an und trat auf Gloria zu.
»Tanze mit deinem vertrauten Vetter!«
»Ich mag nicht tanzen.«
»Dann trage ich dich eben einfach herum.«
Als führe er eine Tätigkeit von überwältigender Wichtigkeit aus, hob er sie mit seinen kurzen, dicken Armen empor und begann, gravitätisch im Zimmer umherzutraben.
»Lass mich los, Dick! Mir ist schwindelig!«, beteuerte sie.
Er ließ sie wie ein zappelndes
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