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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Steifheit eines Armeeoffiziers tanzend, übelgelaunt über die kleine Tanzfläche trampelt. ANTHONY versucht, RACHAELS Geflüster zu verstehen – ohne GLORIA s Augenmerk auf sich zu lenken…
    Doch nun wird sich jeden Augenblick der groteske, der unglaubliche, der dramatische Zwischenfall ereignen, einer jener Zwischenfälle, bei denen sich das Leben der leidenschaftlichen Nachahmung der niedrigsten Form der Literatur zu verschreiben scheint. Gerade als das Tohuwabohu seinen Höhepunkt erreicht, beginnt PARAMORE bei dem Versuch, GLORIA zu übertrumpfen, sich immer schwindelerregender im Kreis zu drehen – er taumelt, fängt sich, taumelt erneut und fällt dann in Richtung Diele… beinahe in die Arme des alten ADAM PATCH , dessen Nahen aufgrund des Höllenspektakels im Zimmer unbemerkt geblieben ist.
    ADAM PATCH ist äußerst bleich. Er stützt sich auf einen Stock. Der Mann an seiner Seite ist EDWARD SHUTTLEWORTH , und er ist es, der PARAMORE an der Schulter packt und den Fallenden von seinem Kollisionskurs mit dem ehrwürdigen Philanthropen ablenkt.
    Die Zeitspanne, die vergeht, bis sich wie ein ungeheures Sargtuch Stille im Zimmer ausbreitet, mag auf zwei Minuten geschätzt werden, auch wenn das Grammophon danach noch eine kurze Weile würgt und aus der Öffnung von TANAS Flöte die Töne des japanischen Eisenbahnliedes rieseln. Von den neun Anwesenden sind sich nur BARNES , PARAMORE und TANA über die Identität des späten Besuchers [358] nicht im Klaren. Nicht einer von den neunen ist sich darüber im Klaren, dass ADAM PATCH an ebendiesem Morgen einen Betrag von fünfzigtausend Dollar zugunsten landesweiter Prohibition gestiftet hat.
    Es bleibt PARAMORE vorbehalten, das lastende Schweigen zu durchbrechen; mit seiner unglaublichen Bemerkung ist der äußerste Punkt der Verderbtheit seines Lebens erreicht.
    PARAMORE schnell auf Händen und Knien zur Küche krabbelnd Ich bin hier nicht zu Gast – ich arbeite hier.
    Wieder senkt sich Schweigen herab – diesmal so tief, so geladen mit unerträglich um sich greifender Furcht, dass RACHAEL in ein kurzes nervöses Kichern ausbricht und DICK sich dabei ertappt, wie er wieder und wieder einen der Situation auf groteske Weise angemessenen Vers von Swinburne rezitiert:
    eine schaurig blasse Blüte ohne Dufthauch
    Aus der Stille heraus ertönt die Stimme ANTHONYS , die nüchtern und angestrengt zu ADAM PATCH spricht; dann verliert sich auch diese.
    SHUTTLEWORTH mit Leidenschaft Ihr Großvater dachte, er würde mit dem Wagen mal herüberkommen und sich Ihr Haus ansehen. Ich hatte von Rye aus angerufen und eine Nachricht hinterlassen.
    In der nächsten Pause sind einige leise Japser zu hören, die scheinbar von nirgendwoher, von niemandem stammen. ANTHONY ist kreidebleich. GLORIAS Mund steht offen, und ihr Blick ruht, gespannt und voller Furcht, unverwandt auf dem Alten. Nicht ein einziges Lächeln ist im Zimmer zu [359] sehen. Nicht ein einziges? Oder öffnen sich CROSS PATCHS zusammengepresste Lippen doch noch leicht und entblößen bebend seine ebenmäßig aufgereihten dünnen Zähne? Er spricht – fünf schlichte, nachsichtige Worte.
    ADAM PATCH Kommen Sie, wir gehen, Shuttleworth…
    Und damit genug. Er dreht sich um und geht, auf seinen Stock gestützt, durch die Diele, zur Haustür hinaus, und auf dem Kiesweg unter dem Augustmond knirschen seine unsicheren Schritte wie ein höllisches Verhängnis.
    Rückblick
    In dieser höchst angespannten Lage waren sie wie zwei Goldfische in einem Aquarium, aus dem alles Wasser herausgelassen ist; sie konnten nicht einmal mehr aufeinander zuschwimmen.
    Im Mai würde Gloria sechsundzwanzig werden. Sie wünsche sich nichts weiter, hatte sie gesagt, als lange jung und schön zu bleiben, froh und glücklich zu sein und Geld und Liebe zu besitzen. Sie wollte, was die meisten Frauen wollen; sie aber wollte es mit aller Kraft und Leidenschaft. Mehr als zwei Jahre war sie jetzt verheiratet. Zuerst hatte es Tage ungetrübten Einvernehmens gegeben, gesteigert bis zum Rausch des Besitzerstolzes. Diese Zeiten waren mit gelegentlichen Hassgefühlen durchsetzt, die eine knappe Stunde vorhielten, und mit Vernachlässigung, die sich nie länger als einen Nachmittag hinzog. So war es ein halbes Jahr lang gegangen.
    Dann hatte die Jubelstimmung der Ungetrübtheit, der [360] Zufriedenheit nachgelassen, war grau geworden – in raren Momenten kehrte, ausgelöst vom Stachel der Eifersucht oder einer erzwungenen Trennung, der alte Sinnenrausch

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