Die Schönen und Verdammten
so, als hätte PARAMORE sich als Gelegenheitstaschendieb zu erkennen gegeben.
PARAMORE Zur Zeit bin ich für die Wohlfahrt in Stamford tätig. Erst vergangene Woche hat mir jemand gesagt, dass Anthony Patch ganz in der Nähe wohnt.
Ihre Unterhaltung wird durch ein Lärmen von draußen unterbrochen, unverkennbar das Geplauder und Gelächter von Angehörigen beider Geschlechter. Ins Zimmer treten geschlossen ANTHONY, GLORIA, RICHARD CARAMEL, MURIEL KANE, RACHAEL BARNES sowie RODMAN BARNES , deren Gatte. Sie toben um MAURY herum und beantworten sein an alle gerichtetes »Hallo« unlogischerweise mit »Prima«. Derweilen nähert sich ANTHONY seinem neuen Gast.
[348] ANTHONY Das gibt’s doch wohl nicht! Wie geht’s dir denn? Freut mich wirklich, dich wiederzusehen!
PARAMORE Schön, dich wiederzutreffen, Anthony. Ich bin in Stamford beschäftigt, da hab ich gedacht, ich könnte ja mal vorbeischauen. Spitzbübisch Meistens müssen wir ja wie die Teufel arbeiten, da können wir uns ruhig mal ein paar Stunden Freizeit gönnen.
Bei dem Versuch, sich auf den Namen zu besinnen, zermartert sich ANTHONY das Hirn. Nach heftigen Geburtswehen gibt sein Gedächtnis schließlich das Bruchstück » FRED « frei, um welches er hastig den Satz »Freut mich wirklich, Fred!« baut. Mittlerweilen ist die Gruppe verstummt – das betretene Schweigen, das der Einführung eines Neuankömmlings vorausgeht. MAURY , der eingreifen könnte, zieht es vor, mit hämischem Vergnügen zuzusehen.
ANTHONY verzweifelt Meine Damen und Herren, darf ich – ich stelle vor: Fred.
MURIEL mit zuvorkommender Lockerheit Hallo, Fred!
RICHARD CARAMEL und PARAMORE grüßen einander vertraulich mit Vornamen, wobei sich Letzterer daran erinnert, dass DICK einer derjenigen aus seinem Jahrgang war, die sich bis dahin nicht bemüßigt gefühlt hatten, mit ihm zu reden. Etwas einfältig bildet DICK sich ein, PARAMORE früher schon einmal bei ANTHONY begegnet zu sein.
Die drei jungen Frauen gehen nach oben.
MAURY hintergründig zu DICK Habe Muriel seit Anthonys Hochzeit nicht mehr gesehen.
DICK Sie steht in voller Blüte. Ihr neuester Spruch lautet: »Ich würde sagen!«
ANTHONY rackert sich eine Weile mit PARAMORE ab, [349] schließlich versucht er die Unterhaltung auf alle auszudehnen, indem er der Runde Drinks anbietet.
MAURY Hab mich an der Flasche bereits gütlich getan. Hab von »Alkoholgehalt« bis »Destillerie« getrunken. Er deutet auf die Wörter auf dem Etikett.
ANTHONY zu PARAMORE Man weiß nie, wann die beiden aufkreuzen. Einmal hatte ich mich nachmittags um fünf von ihnen verabschiedet – und so wahr ich hier stehe, um zwei Uhr in der Früh sind sie wieder aufgetaucht. Ein großer gemieteter Tourenwagen aus New York fuhr vor, und wer stieg aus? Die beiden, blau wie Veilchen, versteht sich.
Mit entzückter Aufmerksamkeit betrachtet PARAMORE den Umschlag eines Buches, das er in der Hand hält. MAURY und DICK werfen sich einen Blick zu.
DICK zu PARAMORE , mit Unschuldsmiene Du arbeitest hier in der Stadt?
PARAMORE Nein, in der Laird-Street-Siedlung in Stamford. Zu ANTHONY Du machst dir keine Vorstellung von der Armut, die in diesen Kleinstädten in Connecticut herrscht. Italiener und andere Einwanderer. Meist Katholiken, weißt du, deshalb ist es sehr schwierig, an sie heranzukommen.
ANTHONY höflich Hohe Kriminalität?
PARAMORE Weniger Kriminalität als Unwissenheit und Dreck.
MAURY Meine Theorie ist: Alle Unwissenden und Verdreckten gehören ohne Umschweife auf den elektrischen Stuhl. Für Kriminelle habe ich etwas übrig – die sorgen wenigstens für Farbe im Leben. Allerdings, wenn man schon darangeht, Unwissenheit zu strafen, müsste man bei den [350] besten Familien anfangen, als Nächstes kämen die Filmleute dran und schließlich der Kongress und die Geistlichkeit.
PARAMORE unsicher lächelnd Ich hatte eine grundlegendere Unwissenheit gemeint – mangelnde Kenntnisse der Landessprache.
MAURY gedankenvoll Das muss wirklich hart sein. Wissen nicht einmal Bescheid über das Neueste in Sachen Lyrik.
PARAMORE Wenn man einige Monate in der Siedlung gearbeitet hat, erkennt man erst, wie schlimm es steht. Wie unser Sekretär ganz richtig bemerkt, sehen Fingernägel nie schmutzig aus, ehe man sich nicht die Hände wäscht. Natürlich ziehen wir bereits viel Aufmerksamkeit auf uns.
MAURY grob Wie dein Sekretär ganz richtig bemerken würde: Wenn man ein Feuer mit Papier schürt, brennt es hell, aber kurz.
In diesem Moment stösst
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