Die Schönen und Verdammten
gelangten sie in den Besitz von etwa dreitausend Dollar und einer Unmenge Möbel. Diese waren eingelagert, denn seinen Lebensabend hatte er in einem Hotel verbracht. Seinem Tod war eine neue Entdeckung zu verdanken, die Anthony an Gloria machte. Zu seinem Erstaunen gab sie sich auf der Reise nach Osten als Bilphistin zu erkennen.
»Aber Gloria«, rief er, »du willst mir doch wohl nicht einreden, dass du das ganze Zeug glaubst?«
»Wieso denn nicht?«, sagte sie trotzig.
[395] »Weil es – weil es so hirnrissig ist. Du weißt, dass du in jedem Sinne des Wortes Agnostikerin bist. Du verhöhnst jede Form christlicher Orthodoxie – und jetzt gibst du zu, dass du an so eine alberne Reinkarnationsregel glaubst.«
»Und wenn schon? Ich habe doch gehört, wie ihr, du und Maury und all die anderen Leute, deren Verstand ich auch nur ein wenig schätze, euch einig seid, dass das Leben, so wie es uns erscheint, ohne jeden Sinn ist. Aber ich habe immer den Eindruck gehabt, vielleicht wäre es nicht ganz so sinnlos, wenn ich hier unbewusst irgendetwas lernen würde.«
»Aber du lernst doch gar nichts – du wirst es doch immer nur leid. Und wenn du schon einen Glauben brauchst, um alles zu beschönigen, dann such dir einen, der sich an den Verstand anderer Menschen wendet als an den einer Menge hysterischer Weiber. Ein Mensch wie du sollte nichts akzeptieren, solange es nicht ordentlich bewiesen ist.«
»Ich mache mir nichts aus der Wahrheit. Ich suche das Glück.«
»Anstandshalber wirst du wohl zugeben müssen, dass das eine vom anderen nicht zu trennen ist. Mit Hilfe von geistigem Schund kann sich jeder Einfaltspinsel über etwas hinwegtäuschen.«
»Das ist mir gleich«, beharrte sie unbeugsam, »und außerdem bringe ich keine Glaubenslehre vor.«
Der Streit klang ab, fiel Anthony später jedoch noch mehrere Male ein. Ihn störte, dass sich der alte Glaube, den sie offensichtlich von ihrer Mutter übernommen hatte, wieder einmal in seiner alten Verkleidung – als angeborene Idee – einnistete.
[396] Nachdem sie unüberlegt eine teure Woche in Hot Springs verbracht hatten, kamen sie im Februar nach New York zurück, und Anthony nahm seine kurzlebigen Versuche in Sachen schöngeistiger Literatur wieder auf. Als ihnen klar wurde, dass auch die Unterhaltungsliteratur keinen Ausweg bot, ließen sie Mut und Zuversicht noch weiter sinken. Unaufhörlich spielte sich zwischen ihnen ein komplizierter Kampf ab. Sämtliche Bestrebungen, ihre Ausgaben zu beschneiden, scheiterten an schierer Trägheit, und im März fanden sie wieder irgendeinen Vorwand, eine Party zu feiern. Mit dem Dünkel des Leichtsinns machte Gloria überraschend den Vorschlag, all ihr Geld zusammenzukratzen und, solange es reichte, einmal so richtig auf die Pauke zu hauen – alles schien besser, als es in unbefriedigenden Kleckerbeträgen dahinschwinden zu sehen.
»Gloria, du magst doch Partys genauso wie ich.«
»Das interessiert mich nicht. Alles, was ich tue, geschieht im Einklang mit meinen Ideen: solange ich jung bin, jede Minute dieser Jahre auszukosten und mich so glänzend zu amüsieren, wie ich nur kann.«
»Und danach?«
»Danach kann mir alles gestohlen bleiben.«
»Von wegen.«
»Na ja, mag sein – aber dann werde ich auch nichts mehr ändern können. Und werde meinen Spaß gehabt haben.«
»Du wirst genau so sein wie jetzt. In gewisser Weise haben wir unseren Spaß gehabt, und jetzt müssen wir dafür bezahlen.«
Dennoch zerrann ihnen das Geld zwischen den Fingern. Immer gab es zwei Tage Ausgelassenheit, zwei Tage [397] Katzenjammer – ein endloses, immer gleiches Karussell. Wenn sie sich endlich doch einmal zusammenrissen, endete es gewöhnlich damit, dass Anthony sich einen Ruck gab und arbeitete, während Gloria, nervös und gelangweilt, im Bett blieb oder geistesabwesend an ihren Fingern kaute. Nach ein, zwei Tagen verabredeten sie sich erneut, und dann – ach, was machte das schon. Diese Nacht, diese Glut, das Ende aller Sorgen und das Gefühl, das Leben sei, wenn schon sinnlos, dann doch wenigstens in hohem Maße romantisch! Der Wein verlieh ihrem Scheitern eine Art Heldenmut.
Unterdessen nahm die Anfechtungsklage unter langwierigen Zeugenbefragungen und Beweisaufnahmen allmählich ihren Fortgang. Die Vorverhandlungen zur Regelung des Nachlasses waren abgeschlossen. Mr. Haight sah keinen Grund, weshalb der Fall nicht noch vor dem Sommer vor Gericht kommen konnte.
Ende März tauchte Bloeckman in New York auf; er hatte sich
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