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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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in Angelegenheiten, die mit Films Par Excellence zu tun hatten, fast ein Jahr in England aufgehalten. Der allgemeine Verfeinerungsprozess dauerte weiter an – stets war er noch ein wenig besser gekleidet, sein Tonfall sanfter und sein Gebaren sichtlich von der Gewissheit geprägt, dass die schönen Dinge im Leben aufgrund eines natürlichen und unveräußerlichen Rechtes ihm gehörten. Er suchte sie in ihrem Apartment auf, blieb nur eine Stunde, in der er vor allem über den Krieg sprach, und ging mit der Zusicherung, wiederkommen zu wollen. Beim zweiten Besuch war Anthony nicht zu Hause, aber später am Nachmittag begrüßte eine gedankenverlorene und aufgeregte Gloria ihren Mann.
    [398] »Anthony«, fing sie an, »hättest du immer noch Einwände, wenn ich zum Film ginge?«
    Sein ganzes Herz verhärtete sich bei dieser Vorstellung. Je mehr sie sich von ihm zurückzuziehen schien, jedenfalls damit drohte, desto mehr wurde ihre Gegenwart nicht so sehr zu einer Kostbarkeit als vielmehr zu einer verzweifelten Notwendigkeit.
    »Oh, Gloria…«
    »Blockhead hat gesagt, dass er mich einführt – aber wenn ich es jemals zu etwas bringen will, muss ich jetzt anfangen. Sie wollen nur junge Frauen. Denk an das Geld, Anthony!«
    »Für dich – ja. Aber was wird aus mir?«
    »Weißt du denn nicht, dass alles, was ich habe, auch dir gehört?«
    »Das ist so eine teuflische Laufbahn«, brach es aus ihm heraus, dem moralischen, dem unendlich umsichtigen Anthony, »und so ein teuflisches Gesindel! Und ich bin es ganz und gar leid, dass dieser Bloeckman herkommt und sich einmischt. Ich hasse alles, was mit Theater zu tun hat.«
    »Es hat doch mit Theater gar nichts zu tun. Das ist etwas ganz anderes.«
    »Was soll denn ich tun? Etwa im ganzen Land hinter dir herjagen? Von deinem Geld leben?«
    »Dann verdien gefälligst selber welches.«
    Das Gespräch mündete in eine der heftigsten Auseinandersetzungen, die sie je gehabt hatten. Nachdem sie sich ausgesöhnt und wieder der unvermeidlichen moralischen Trägheit hingegeben hatten, wurde ihr klar, dass er dem Projekt den Schwung genommen hatte. Keiner von ihnen sprach die Vermutung aus, dass Bloeckman durchaus nicht [399] uneigennützig handele, aber beide wussten, dass dies der Grund für Anthonys Bedenken war.
    Im April wurde Deutschland der Krieg erklärt. Wilson und sein Kabinett – ein Kabinett, dessen mangelnde Klasse auf merkwürdige Weise an die zwölf Apostel erinnerte – ließen die gründlich ausgehungerten Kriegshunde von der Leine, und die Presse begann hysterisch gegen die üble Moral, Philosophie und Musik zu geifern, die das teutonische Temperament hervorgebracht habe. Wer sich einbildete, besonders liberal zu sein, traf die feine Unterscheidung, dass allein die deutsche Regierung sie zur Hysterie treibe; die anderen steigerten sich in eine Raserei von ekelerregender Obszönität. Jedem Lied mit den Worten »Mutter« und »Kaiser« war ein ungeheurer Erfolg beschieden. Endlich hatte jeder etwas, worüber er sich unterhalten konnte – und fast alle genossen es, geradeso, als hätten sie Rollen in einem düsteren romantischen Theaterstück zugewiesen bekommen.
    Anthony, Maury und Dick bewarben sich auf Offizierslehrgänge, die beiden Letzteren stolzierten umher und fühlten sich über jeden Vorwurf seltsam erhaben; wie Collegestudenten plauderten sie darüber, dass der Krieg der einzige Lebenssinn und die einzige Rechtfertigung des Aristokraten sei, und beschworen eine unerträgliche Offizierskaste herauf, die sich anscheinend zur Hauptsache aus den attraktiveren Alumnen von drei oder vier Colleges der Ostküste rekrutieren sollte. Es kam Gloria vor, als nehme selbst Anthony in dem grellen roten Licht, das sich über die Nation ergoss, neuen Glanz an.
    Mitglieder des 10. Infanterieregiments, das, aus Panama [400] kommend, in New York eintraf, wurden von patriotischen Bürgern zu ihrer großen Verwunderung von Spelunke zu Spelunke begleitet. Zum ersten Mal seit Jahren nahm man Notiz von Absolventen der Militärakademie West Point, und allgemein herrschte der Eindruck vor, dass alles herrlich sei, aber nicht halb so herrlich, wie es bald sein würde, und dass jeder ein feiner Kerl sei und jede Nation eine herrliche Nation – außer den Deutschen, versteht sich –, und Ausgestoßene und Sündenböcke jeder Gesellschaftsschicht brauchten nur in Uniform aufzutreten, damit Verwandte, ehemalige Freunde und Wildfremde ihnen verziehen, sie bejubelten und

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