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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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la belle dame sans merci, die in seinem Herzen wohnte, der flüchtige, verblassende Schimmer von dunklen Augen im Ritz-Carlton, von einem schattigen Blick aus [426] einer Kutsche im Bois de Boulogne! Doch jene Nächte waren nur Teil eines Liedes, ein erinnerter Abglanz – hier hingegen waren sie wieder, die schwachen Brisen, die Trugbilder, das ewige Geschenk mit seiner Verheißung einer Romanze!
    »Ach!«, flüsterte sie. »Liebst du mich? Liebst du mich?«
    Der Zauber war gebrochen – die verwehten Sternensplitter wurden zu bloßen Lichtern, der Gesang weiter unten in der Straße monoton, zum Zirpen von Grillen im Gras. Fast seufzte er auf, als er ihren glühenden Mund küsste und ihre Arme sich zu seinen Schultern hinaufstahlen.
    Der bewaffnete Krieger
    Die Wochen verdorrten und verwehten, und Anthony dehnte den Radius seiner Fahrten aus, bis er das Lager und seine Umgebung ausgekundschaftet hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er anhaltenden persönlichen Kontakt mit den Kellnern, denen er Trinkgelder gegeben hatte, mit den Chauffeuren, die an ihren Hut getippt hatten, mit den Zimmerleuten, Klempnern, Friseuren und Bauern, die sich vorher nur in der Unterwürfigkeit ihrer beruflichen Kniebeugungen bemerkbar gemacht hatten. Die ersten beiden Monate im Lager führte er mit keinem Menschen ein Gespräch, das länger als zehn Minuten währte.
    In seinem Soldbuch war sein Beruf mit »Student« angegeben; auf dem ursprünglichen Fragebogen hatte er voreilig »Schriftsteller« eingetragen; doch wenn ihn die Männer in seiner Kompanie nach seiner Tätigkeit fragten, bezeichnete [427] er sich gewöhnlich als »Bankangestellten« – hätte er ihnen die Wahrheit gesagt, dass er nämlich gar nicht arbeitete, hätten sie ihn verdächtigt, ein Mitglied der begüterten Klassen zu sein.
    Sein Zugführer Pop Donnelly war ein zottiger »Veteran«, den der Alkohol zugrunde gerichtet hatte. Nachdem er früher ungezählte Wochen im Wachhaus zugebracht hatte, war er kürzlich aus Mangel an Ausbildern auf seinen jetzigen Gipfelpunkt befördert worden. Sein Gesicht war voller Granateinschläge – es hatte unverkennbare Ähnlichkeit mit den Luftaufnahmen des Schlachtfelds bei Sowieso. Einmal in der Woche betrank er sich in der Stadt mit Schnaps, kehrte verstohlen wieder ins Lager zurück und brach auf seiner Pritsche zusammen. Wenn er sich beim Weckruf zur Kompanie gesellte, glich sein Gesicht mehr denn je einer weißen Totenmaske.
    Er gab sich der wunderlichen Selbsttäuschung hin, der Regierung mit List und Tücke »eins ausgewischt« zu haben – achtzehn Jahre lang hatte er für kargen Lohn in ihren Diensten gestanden, und bald würde er mit der eindrucksvollen Rente von fünfundfünfzig Dollar im Monat in den Ruhestand treten (hierbei zwinkerte er gewöhnlich). Er sah das Ganze als einen herrlichen Spaß an, den er mit Dutzenden von Vorgesetzten trieb, welche ihn herumkommandiert und verhöhnt hatten, seit er ein neunzehnjähriger Bauernjunge aus Georgia gewesen war.
    Vorläufig gab es nur zwei Lieutenants – Hopkins und den beliebten Kretching. Letzterer galt als feiner Kerl und guter Führer, bis er ein Jahr später mitsamt einem Betrag von elfhundert Dollar aus der Offiziersmesse verschwand [428] und sich herausstellte, dass man ihm, wie so vielen Führern, nur mühsam folgen konnte.
    Schließlich war da Captain Dunning, der Gott dieses kurzlebigen, aber autarken Mikrokosmos. Er war Reserveoffizier, nervös, energisch und begeisterungsfähig. Letztere Eigenschaft nahm oft materielle Gestalt an und wurde als dünner Schaum in seinen Mundwinkeln sichtbar. Wie die meisten Offiziere sah er seine Schützlinge immer nur von vorn, und in seinen hoffnungsfrohen Augen hatte er das Kommando über genau die vorzügliche Einheit, deren ein so vorzüglicher Krieg bedurfte. Trotz aller Besorgnis und Inanspruchnahme war dies die herrlichste Zeit seines Lebens.
    Baptist, der kleine Sizilianer vom Zug, geriet schon in der zweiten Drillwoche in Konflikt mit ihm. Der Hauptmann hatte mehrmals angeordnet, dass die Männer rasiert sein mussten, wenn sie morgens ins Glied traten. Eines Tages wurde ein bestürzender Verstoß gegen diese Regel festgestellt, gewiss ein Fall von teutonischer Hinterhältigkeit – über Nacht hatten vier Männer sich Stoppeln im Gesicht wachsen lassen. Dass drei der vier nur die allernötigsten Englischkenntnisse hatten, machte praktischen Anschauungsunterricht nur umso notwendiger. So schickte denn Captain

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