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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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hier schwieg und sprach er, sprach in schläfrigen Monologen ohne tieferen Sinn, ohne Antwort.
    Es kam der Juli und brannte herab. Captain Dunning erhielt den Befehl, einen seiner Männer zum Erlernen des Hufschmiedhandwerks abzukommandieren. Das Regiment [438] wurde gerade zu voller Kriegsstärke aufgestockt, und er benötigte die meisten seiner Altgedienten als Ausbilder, daher fiel seine Wahl auf Baptist, den kleinen Italiener, den er noch am ehesten entbehren konnte. Der kleine Baptist hatte noch nie etwas mit Pferden zu tun gehabt. Seine Furcht machte die Sache noch schlimmer. Eines Tages tauchte er in der Schreibstube auf und teilte Captain Dunning mit, wenn er nicht von seiner Aufgabe entbunden werde, wolle er lieber sterben. Die Pferde schlügen nach ihm aus, sagte er, er tauge für die Arbeit nicht. Schließlich fiel er auf die Knie und flehte Captain Dunning in einem Kauderwelsch aus gebrochenem Englisch und biblischem Italienisch an, ihn zu erlösen. Er habe seit drei Tagen kein Auge zugetan; in seinen Träumen bäumten sich scheußliche Hengste auf und schlügen Kapriolen.
    Captain Dunning rügte den Kompanieschreiber (der in Lachen ausgebrochen war) und sagte Baptist, er werde tun, was in seiner Macht stehe. Bei näherem Nachdenken stellte er jedoch fest, dass er einen besseren Mann nicht entbehren konnte. Für den kleinen Baptist änderte sich nichts. Die Pferde schienen seine Furcht zu wittern und in jeder Hinsicht auszunutzen. Als er zwei Wochen später versuchte, eine große, schwarze Stute aus dem Stall zu führen, schlug sie ihm mit den Hufen den Schädel ein.
    Mitte Juli kamen Gerüchte über einen Lagerwechsel auf, gefolgt von Befehlen. Die Brigade sollte in ein leeres Kantonnement hundertfünfzig Kilometer weiter südlich verlegt werden, um zur Division ausgebaut zu werden. Zunächst dachten die Männer, sie sollten zu den Schützengräben [439] aufbrechen, und in der Kompaniestraße schwatzten sie den ganzen Abend über in kleinen Grüppchen und gaben großspurige Ausrufe von sich: »Klar geht’s los!« Als die Wahrheit durchsickerte, wurde sie als Ablenkungsmanöver, mit denen der wirkliche Bestimmungsort verschleiert werden sollte, empört zurückgewiesen. Sie sonnten sich in ihrer eigenen Wichtigkeit. Am Abend erzählten sie ihren Mädchen in der Stadt, dass sie es »den Deutschen gehörig zeigen« würden. Anthony bewegte sich eine Zeitlang unter den Gruppen – dann hielt er einen Bus an und fuhr in die Stadt, um Dot mitzuteilen, dass er fortmüsse.
    In einem billigen, weißen Kleid, das die Jugend und die Weichheit ihres Gesichts hervorhob, wartete sie schon auf der dunklen Veranda.
    »Ach«, flüsterte sie, »ich habe dich so herbeigesehnt, Liebling. Den ganzen Tag.«
    »Ich muss dir etwas sagen.«
    Sie zog ihn zu sich auf den schaukelnden Sitz und bemerkte seinen unheildrohenden Ton nicht.
    »Sag schon.«
    »Wir ziehen nächste Woche ab.«
    Ihre Arme, die seine Schultern suchten, stockten mitten in der dunklen Luft, und sie schob das Kinn vor. Als sie sprach, war alle Sanftheit aus ihrer Stimme gewichen.
    »Nach Frankreich!«
    »Nein. So viel Glück haben wir nicht. In irgend so ein gottverdammtes Lager in Mississippi.«
    Sie schloss die Augen, und er sah, dass ihre Lider zitterten.
    »Liebe kleine Dot, das Leben ist so verdammt hart.«
    [440] Sie weinte an seiner Schulter.
    »So verdammt hart, so verdammt hart«, wiederholte er ziellos. »Es tut den Menschen einfach immer wieder weh, bis es ihnen so wehgetan hat, dass es ihnen nie mehr wehtun kann. Das ist das Letzte und Ärgste, was es anrichtet.«
    Ungestüm, mit wildem Schmerz, zog sie ihn an ihre Brust.
    »O Gott!«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. »Du darfst mich nicht verlassen. Ich würde sterben.«
    Er sah sich außerstande, seinen Abschied als einen gewöhnlichen, unpersönlichen Schicksalsschlag hinzustellen. Er war so dicht an ihr, dass er nur noch wiederholen konnte: »Arme kleine Dot. Arme kleine Dot.«
    »Und was dann?«, fragte sie ermattet.
    »Was meinst du?«
    »Du bist mein ganzes Leben, das ist alles. Ich würde auf der Stelle für dich sterben, wenn du es verlangst. Ich würde ein Messer holen und mich umbringen. Du kannst mich nicht hier zurücklassen.«
    Ihr Tonfall erschreckte ihn.
    »So etwas passiert nun mal«, sagte er ruhig.
    »Dann komme ich mit dir.« Tränen strömten an ihren Wangen herab. Ihr Mund bebte in einer Aufwallung aus Kummer und Angst.
    »Liebling«, murmelte er gefühlvoll, »süßes

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