Die Schönen und Verdammten

völlige Undurchführbarkeit eines solchen Vorhabens. Gereizt stritt er sich danach den ganzen Abend mit Dot und kehrte missgestimmt und voller Wut auf alle Welt ins Lager zurück. Mitten in einer unangenehmen Szene war er Hals über Kopf davongestürzt. Was aus ihr werden sollte, schien ihn im Augenblick nicht wesentlich anzugehen – er war völlig von dem entmutigenden Schweigen seiner Frau in Anspruch genommen…
    [447] Plötzlich flappte der Zelteingang zurück, und aus dem Dunkel tauchte ein dunkler Schopf auf.
    »Sergeant Patch?« Ein italienischer Akzent. Anthony sah am Koppel, dass der Mann Ordonnanz im Hauptquartier war.
    »Ja?«
    »Vor zehn Minuten hat ’ne Dame im Hauptquartier angerufen. Sagt, sie muss mit Ihnen sprechen. Äußerst dringend.«
    Anthony schob das Moskitonetz beiseite und erhob sich. Vielleicht war es ein Kabel, das Gloria telefonisch durchgegeben hatte.
    »Sagt, wir sollen Sie holen. Ruft um zehn Uhr wieder an.«
    »In Ordnung, danke.« Er nahm seine Mütze, und einen Augenblick später ging er neben der Ordonnanz durch das fast erstickend heiße Dunkel. Drüben in der Baracke des Hauptquartiers grüßte er einen dösenden Offizier vom Dienst.
    »Setzen Sie sich und warten Sie«, schlug der Lieutenant gleichmütig vor. »Dem Mädchen schien ganz schön viel daran zu liegen, Sie zu sprechen.«
    Anthonys Hoffnungen zerplatzten.
    »Vielen Dank, Sir.« Und als das Telefon an der Wand schnarrte, wusste er, wer am Apparat war.
    »Hier ist Dot«, kam eine schwankende Stimme, »ich muss dich sprechen.«
    »Dot, ich habe dir doch gesagt, dass ich für ein paar Tage nicht zu dir kommen kann.«
    »Ich muss dich heute Abend unbedingt sehen. Es ist wichtig.«
    [448] »Es ist zu spät«, sagte er kalt, »es ist zehn Uhr, und um elf muss ich wieder im Lager sein.«
    »Na schön.« In den beiden Wörtern drängte sich so viel Elend zusammen, dass Anthony bis zu einem gewissen Maße Reue verspürte.
    »Was ist denn los?«
    »Ich wollte mich von dir verabschieden.«
    »Ach, sei doch nicht so ein Kindskopf!«, rief er aus. Aber seine Stimmung hob sich. Was für ein Glück, wenn sie noch heute Abend aus der Stadt abreisen würde! Welch ein Stein würde ihm vom Herzen fallen! Aber er sagte: »Vor morgen kannst du nicht abfahren.«
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Offizier vom Dienst ihn neugierig musterte. Dann, alarmiert, hörte er Dots weitere Worte: »Das meine ich nicht mit ›Abschied‹.«
    Anthony umklammerte krampfhaft den Hörer. Er fühlte, wie seine Nerven erkalteten, als entweiche die Hitze aus seinem Körper. »Was?«
    Dann hörte er, wie sie rasch, mit wilder, gebrochener Stimme, sagte: »Auf Wiedersehen – ach, leb wohl.«
    Klick! Sie hatte aufgelegt. Mit einem Laut, der halb Stöhnen, halb Aufschrei war, eilte Anthony aus dem Hauptquartier. Draußen, unter den Sternen, die wie silberne Troddeln durch die Bäume des kleinen Hains herabfielen, blieb er reglos stehen und zögerte. Wollte sie sich etwa umbringen? Ach, das dumme Kind! Er war von bitterem Hass gegen sie erfüllt. Bei diesem Ausgang der Affäre fand er es unmöglich zu begreifen, dass er sich je auf eine solche Liebschaft, ein solches Durcheinander, eine unerquickliche Mischung aus Sorge und Schmerz, eingelassen hatte.
    [449] Langsam ging er davon und wiederholte nur immer wieder, dass es sinnlos war, sich zu sorgen. Am besten war es, zu seinem Zelt zurückzugehen und sich schlafen zu legen. Er brauchte Schlaf. Gott! Würde er jemals wieder schlafen? In seinem Kopf herrschte ungeheure Verwirrung; als er zur Straße kam, drehte er sich in einem Anfall von Panik um und fing an zu rennen, nicht zu seiner Kompanie, sondern fort von ihr. Die Männer kamen schon zurück – vielleicht fand er ein Taxi. Nach einer Minute bogen zwei gelbe Augen um eine Ecke. Verzweifelt rannte er auf sie zu.
    »Taxi! Taxi!« Es war ein leerer Ford. »Ich will zur Stadt.«
    »Macht ’nen Dollar.«
    »In Ordnung. Fahren Sie nur schnell…«
    Nach einer Ewigkeit rannte er die Treppe eines baufälligen kleinen Hauses hinauf und zur Tür hinein. Beinahe hätte er eine mächtige Schwarze umgestoßen, die, eine Kerze in der Hand, durch die Diele gelaufen kam.
    »Wo ist meine Frau?«, rief er entgeistert.
    »Sie ist ins Bett gegangen.«
    Die Treppe hinauf, drei Stufen auf einmal, den knarrenden Gang entlang. Das Zimmer war dunkel und still, und mit zitternden Fingern strich er ein Zündholz an. Aus einem jämmerlichen Haufen Kleider auf dem Bett starrten ihn