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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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und hohlen Worten in die Diele folgten.
    »Der war ja nicht mal Genießer genug, um zu versuchen, mich nach Hause zu bringen«, dachte sie im Taxi, und dann mit einem raschen Aufwallen von Groll: »Wie überaus gewöhnlich!«
    Galanterie
    Im Februar hatte sie ein Erlebnis ganz anderer Art. Tudor Baird, eine alte Flamme, ein junger Mann, den sie einst allen [477] Ernstes zu heiraten beabsichtigt hatte, kam mit dem Fliegerkorps nach New York und suchte sie auf. Sie gingen mehrere Male ins Theater, und zu ihrem großen Vergnügen war er innerhalb einer Woche wieder genauso in sie verliebt wie früher. Sie hatte es ganz bewusst darauf angelegt und merkte erst, welches Unheil sie angerichtet hatte, als es schon zu spät war. Es kam so weit, dass er jedesmal, wenn sie zusammen ausgingen, jammervoll schweigend neben ihr saß.
    Als Scroll-and-Keys -Mann in Yale verfügte er über die korrekte Zurückhaltung eines ›anständigen Kerls‹, die korrekte Vorstellung von Ritterlichkeit und noblesse oblige – und natürlich, leider, über die korrekten Vorurteile und den korrekten Mangel an Ideen – all jene Charakterzüge, die Anthony sie zu verachten gelehrt hatte, die sie aber dennoch eher bewunderte. Sie fand, dass er anders als die meisten Männer seines Schlages kein Langweiler war. Er war ansehnlich und auf unbeschwerte Art geistvoll, und es war ihr, wenn sie mit ihm zusammen war, bewusst, dass er dank bestimmter Eigenschaften, die er besaß – man nenne sie Dummheit, Treue, Sentimentalität oder etwas Unbestimmteres als diese drei –, alles in seiner Macht unternommen hätte, um ihr zu Gefallen zu sein.
    Dies vertraute er ihr neben vielem anderen an, sehr korrekt und mit einer schwerfälligen Männlichkeit, die wirkliches Leiden kaschierte. Da sie ihn aber so gar nicht liebte, tat er ihr mehr und mehr leid, und eines Abends küsste sie ihn gefühlvoll, weil er so charmant war, das Relikt einer untergehenden Generation, die in einer tugendsamen und anmutigen Illusion lebte und von weniger galanten Dummköpfen verdrängt wurde. Im Nachhinein war sie froh, ihn [478] geküsst zu haben, denn als sein Flugzeug am nächsten Tag bei Mineola aus einer Höhe von fünfhundert Metern abstürzte, durchbohrte ein Motorteil sein Herz.
    Gloria allein
    Als Mr. Haight ihr mitteilte, die Verhandlung werde nicht vor dem Herbst stattfinden, beschloss sie, zum Film zu gehen, ohne Anthony davon zu erzählen. Wenn er erst sähe, dass sie sowohl darstellerischen wie finanziellen Erfolg hatte, wenn er erst sähe, dass sie bei Joseph Bloeckman ihren Willen durchsetzen konnte, ohne sich etwas vergeben zu müssen, würde er seine albernen Vorurteile schon ablegen. Eines Nachts lag sie halb wach da, plante ihre Karriere und nahm freudig ihre Erfolge vorweg. Am nächsten Morgen rief sie bei Films Par Excellence an. Mr. Bloeckman war in Europa.
    Aber diesmal hatte die Idee so stark von ihr Besitz ergriffen, dass sie sich entschloss, die Filmagenturen abzuklappern. Wie so oft kam ihr Geruchssinn ihren guten Absichten in die Quere. Die Agentur stank, als sei sie schon sehr lange verwest. Sie wartete fünf Minuten und nahm ihre reizlosen Rivalinnen in Augenschein – dann lief sie rasch hinaus in die fernsten Winkel des Central Park, wo sie so lange blieb, dass sie sich eine Erkältung zuzog. Sie versuchte, ihr Straßenkostüm auszulüften, um den Geruch der Agentur loszuwerden.
    Im Frühjahr konnte sie Anthonys Briefen – nicht irgendeinem im Besonderen, sondern ihrer kumulativen [479] Wirkung – entnehmen, dass er sie nicht in den Süden nachkommen lassen wollte. Ausflüchte, die ihn gerade wegen ihrer Unzulänglichkeit zu quälen schienen, wiederholten sich merkwürdig oft, mit geradezu freudscher Regelmäßigkeit. In jedem Brief schrieb er sie nieder, als befürchte er, sie beim letzten Mal vergessen zu haben, als sei es äußerst notwendig, sie damit zu beeindrucken. Aber die Verwässerung seiner Briefe mit zärtlichen Koseworten wirkte mit der Zeit mechanisch und abgedroschen – beinahe so, als habe er den Brief nach Beendigung noch einmal durchgelesen und sie nachträglich hinzugefügt, so wie die Epigramme in einem Stück von Oscar Wilde. Sie zog voreilige Schlüsse, verwarf sie, war abwechselnd zornig und niedergeschlagen – schließlich verschloss sie sich stolz und ließ es zu, dass sich in ihre eigene Korrespondenz ein zunehmend kühlerer Ton einschlich.
    Seit einiger Zeit gab es allerlei, das ihre Aufmerksamkeit beanspruchte. Mehrere

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