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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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ja?« Anthony lächelte angestrengt. Er war die Gesellschaft älterer Menschen nicht gewohnt, und sein Mund war steif von all der überflüssigen Herzlichkeit. Es war eine so angenehme Vorstellung, dass Gloria und Dick Cousins waren. Innerhalb der nächsten Minute gelang es ihm, seinem Freund einen gequälten Blick zuzuwerfen.
    Richard Caramel tat es leid, aber sie müssten jetzt wohl langsam abzwitschern.
    Mrs. Gilbert bedauerte es unendlich.
    Mr. Gilbert fand es schade.
    [62] Mrs. Gilbert hatte noch eine Idee – wie froh sie dennoch wäre, dass sie gekommen seien, auch wenn sie nur eine alte Dame besucht hätten, viel zu alt, um noch mit ihnen zu flirten. Offensichtlich hielten Anthony und Dick dies für einen geistreichen Ausspruch, denn einen Dreivierteltakt lang lachten sie.
    Würden sie bald wiederkommen?
    »O ja.«
    Gloria würde sich furchtbar ärgern!
    »Auf Wiedersehen…«
    »Auf Wiedersehen…«
    Lächeln!
    Lächeln!
    Peng!
    Im zehnten Stock des Plaza liefen zwei untröstliche junge Männer den Gang entlang zum Fahrstuhl.
    Die Beine einer Dame
    Hinter Maury Nobles gewinnender Trägheit, seiner Bedeutungslosigkeit und seinem sorglosen Spott verbarg sich eine erstaunlich unnachgiebige Entschlusskraft. Wie er im College verkündet hatte, war es seine Absicht gewesen, drei Jahre mit Reisen zuzubringen und drei Jahre in äußerster Muße – und danach so schnell wie möglich ungeheuer reich zu werden.
    Seine drei Reisejahre waren vorüber. Er hatte den Erdball mit einer Gründlichkeit und Neugierde bereist, die bei jedem anderen pedantisch gewirkt hätte, ohne befreiende [63] Spontaneität, beinahe so, als redigiere er sich selbst: einen menschlichen Baedeker; doch in diesem Fall handelte es sich offenbar um rätselhafte Zielgerichtetheit und bedeutungsvolle Absichtlichkeit – als wäre Maury Noble ein auserwählter Antichrist, den die Vorsehung umtrieb, überall hinzugelangen, wo man auf Erden nur hingelangen konnte, und all die Milliarden Menschen zu sehen, die da zeugten und weinten und einander hier und dort die Köpfe einschlugen.
    Als er wieder in Amerika war, begab er sich mit derselben gleichbleibenden Hingabe auf die Suche nach Zerstreuung. Er, der nie mehr als ein paar Cocktails oder eine halbe Flasche Wein hintereinander weggetrunken hatte, brachte sich das Zechen bei, so wie er sich Griechisch beigebracht hätte – wie Griechisch würde es das Tor zu einer Fülle neuer Empfindungen, neuer Seelenzustände, neuer Reaktionen in Freude und Leid sein.
    Seine Gewohnheiten waren Gegenstand esoterischer Spekulation. Er hatte drei Zimmer in einer Junggesellenwohnung in der 44. Straße bezogen, war indes nur selten dort anzutreffen. Die Telefonistin hatte strengste Anweisung, niemanden zu ihm vorzulassen, der nicht zuvor seinen Namen preisgegeben hatte. Sie besaß eine Liste mit den Namen von einem halben Dutzend Personen, für die er nie zu Hause war, und mit der gleichen Anzahl Personen, für die er immer zu Hause war. Auf Letzterer standen an oberster Stelle Anthony Patch und Richard Caramel.
    Maurys Mutter wohnte bei ihrem verheirateten Sohn in Philadelphia, und an den Wochenenden fuhr Maury gewöhnlich dorthin. Deshalb war Anthony aufs höchste [64] erfreut, Mr. Noble zu Hause vorzufinden, als er eines Samstagabends im Molton Arms vorbeischaute. Von größter Langeweile befallen, war er in den eiskalten Straßen herumgestrichen.
    Seine Stimmung stieg schneller als der nach oben gleitende Fahrstuhl. Es tat so gut, so überaus gut, gleich mit Maury reden zu können – der ebenso froh sein würde, ihn zu sehen. Sie würden einander mit Blicken tiefer Zuneigung betrachten, hinter denen sich gutmütig abgeschwächter Spott verbarg. Wäre es Sommer gewesen, so wären sie zusammen ausgegangen und hätten müßig an zwei Tom Collins genippt, ihre Kragen gelockert und sich das nicht eben unterhaltsame Programm irgendeines langweiligen August-Cabarets angesehen. Aber draußen war es kalt, um die Ecken der hohen Gebäude fegte der Wind, und der Dezember stand vor der Tür, da war ein gemeinsamer Abend bei gedämpftem Lampenlicht und ein oder zwei Bushmills oder einem Gläschen von Maurys Grand Marnier weit angenehmer, die Bücher an den Wänden würden wie Ornamente schimmern und Maury, groß und katzengleich auf seinem Lieblingssessel thronend, göttliche Trägheit ausstrahlen.
    Da war er! Das Zimmer umhüllte Anthony und wärmte ihn. Die Glut dieses starken, überzeugenden Gemüts, dieses in seiner

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