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Die Schönen und Verdammten

Die Schönen und Verdammten

Titel: Die Schönen und Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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über ihre Haut. Immerzu über sich selbst. Sie hat mir von dem Grad an Sonnenbräune erzählt, den sie im Sommer anstrebt und dem sie meist sehr nahekommt.«
    [71] »Und du saßest da, bezaubert von ihrer tiefen Altstimme?«
    »Von ihrer tiefen Altstimme? Nein, von ihrer Bräune! Ich habe über Bräune nachgedacht. Darüber, ob ich Farbe abbekam, als ich vor ungefähr zwei Jahren zum letzten Mal an der Sonne war. Eigentlich bin ich immer ziemlich braun geworden. Eine Art Bronzeton, wenn ich mich recht erinnere.«
    Anthony schüttelte sich vor Lachen und lehnte sich wieder in die Kissen zurück.
    »Die hat dich aber ganz schön auf Trab gebracht – ach, Maury! Maury, der Lebensretter von Connecticut. Die menschliche Muskatnuss. Extrablatt! Millionenerbin brennt mit Rettungsschwimmer durch! Seiner knackigen Pigmentierung wegen, die sich hinterher als tasmanisches Blut in seiner Familie herausstellt!«
    Maury seufzte. Er stand auf, ging ans Fenster und zog das Rouleau hoch.
    »Es schneit ganz schön.«
    Anthony, der immer noch leise vor sich hin gluckste, antwortete nicht.
    »Schon wieder Winter.« Maurys Stimme vom Fenster war nur noch ein Flüstern. »Wir werden alt, Anthony. Mein Gott, ich bin schon siebenundzwanzig! Noch drei Jahre bis zu meinem Dreißigsten, dann bin ich das, was ein junger Student einen Mann mittleren Alters nennt.«
    Anthony schwieg einen Augenblick.
    »Und ob du alt bist, Maury«, stimmte er ihm schließlich zu. »Die ersten Anzeichen einer ausschweifenden und verlotterten Greisenhaftigkeit – du hast den Nachmittag mit [72] Plaudereien über Sonnenbräune und die Beine einer Dame verbracht.«
    Maury ließ das Rouleau mit einem scharfen Ratsch wieder herunterschnappen.
    »Du Dummkopf!«, rief er. »Und das von dir! Mein lieber Anthony, ich sitze hier, wie ich ein Menschenalter oder mehr hier sitzen werde, und sehe so fröhliche Gemüter wie dich und Dick und Gloria Gilbert an mir vorüberziehen, ihr tanzt und singt, ihr liebt und hasst einander und seid bewegt, ewig bewegt. Mich dagegen bewegt nur mein Mangel an Gemütsbewegung. Ich werde hier sitzen, und der Schnee wird kommen – ach, hätte man einen Caramel, der sich Notizen macht! – und wieder ein Winter, und ich werde dreißig sein, und du und Dick und Gloria, ihr werdet euch ewig bewegen und singend an mir vorübertanzen. Aber wenn ihr alle von dannen seid, werde ich Dinge sagen, die neue Dicks sich aufnotieren können, werde mir die Enttäuschungen, Zynismen und Gemütsbewegungen neuer Anthonys anhören und mich, jawohl, mit neuen Glorias über die Bräune heraufziehender Sommerzeiten unterhalten.«
    Die Flammen leckten im Kamin hoch. Maury verließ das Fenster, stocherte mit einem Schürhaken in der Glut herum und ließ ein Scheit auf den Kaminbock fallen. Dann setzte er sich wieder in seinen Sessel, und seine kaum vernehmliche Stimme verlor sich in dem neu entfachten Feuer, das rot und gelb an der Borke aufzüngelte.
    »Schließlich bist du es, Anthony, der jung und romantisch ist. Du bist um vieles empfänglicher und fürchtest, deine Seelenruhe aufgewühlt zu sehen. Ich bin es, der wieder und wieder versucht, sich bewegen zu lassen – [73] tausendmal lasse ich mich gehen und bin doch immer wieder nur ich. Nichts, nichts vermag mich wirklich mitzureißen.«
    »Ja«, murmelte er nach einer weiteren langen Pause, »dieses kleine Mädchen mit seiner lächerlichen Sonnenbräune hatte etwas zeitlos Altes – wie ich.«
    Turbulenz
    Anthony drehte sich schläfrig im Bett um und begrüßte einen kalten Sonnenfleck auf seiner Decke, auf den kreuzweise die Schatten des Bleiglasfensters fielen. Das Zimmer war vom Morgen durchflutet. Die geschnitzte Kommode in der Ecke, der alte, unerforschliche Schrank standen im Zimmer wie düstere Sinnbilder für die Unvergänglichkeit der Materie; nur der Teppich lockte und war hinfällig unter seinen hinfälligen Füßen; und Bounds, schrecklich unangemessen mit seinem ungesteiften Kragen, war aus einem Stoff geformt, der sich ebenso auflösen würde wie der gefrorene Atemdunst, den er hervorstieß. Er stand dicht am Bett, die Hand, mit der er an der Oberdecke gezerrt hatte, noch gesenkt und die dunkelbraunen Augen gleichmütig auf seinen Herrn geheftet.
    »Bows!«, murmelte der verschlafene Gott. »Bissu’s, Bows?«
    »Ich bin’s, Sir.«
    Anthony bewegte den Kopf, riss die Augen weit auf und blinzelte triumphierend. »Bounds.«
    »Ja, Sir?«
    »Kannst du wieder gehen – au-au-oh-oh – o Gott!«

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