Die schönsten Dinge
natürlich nicht dein zartes Gewissen belasten, Timothy. Das wäre ja schrecklich. Also, zu deiner Beruhigung: Dank deiner Einmischung gestern wird Daniel Metcalf uns kein Geld geben. Keinen Dollar. Wir haben uns so unprofessionell aufgeführt, dass er uns nicht mal ein Sparschwein mit Fünfcentmünzen anvertrauen würde und schon gar keine Viertelmillion. Du kannst heute Nacht also ruhig schlafen. Niemand nimmt irgendwem Geld ab.«
Timothy runzelt die Stirn. »Della, ich habe gesehen, wie er dich den ganzen Morgen über beobachtet hat. Ich erkenne genau, wenn du deine Kunden am Haken hast. Die Sache ist vielleicht nicht in Ordnung, aber sie ist in trockenen Tüchern. Entspann dich. Du bekommst dein Geld.«
B eim zweiten Mal kommt mir die Strecke kürzer vor, trotz meiner müden Beine. Das ist auf dem Rückweg immer so. Ich bin so durstig, dass ich die Wasserflasche in der Hand halte und immer wieder trinke. Als wir den Wasserfall erreichen, von dem Daniel am Freitag so begeistert war, macht er einen langen Schritt über den Bach und geht weiter. Er redet nur das Nötigste, und selbst anderen Wanderern nickt er nur verbissen zu, statt wie vorher ein paar Worte mit ihnen zu wechseln.
Meine Gedanken überschlagen sich. Ich gehe immer wieder die letzten Tage durch und komme immer zu demselben unvernünftigen Schluss. Auch wenn ich versagt habe, muss ich wissen, was Daniel zu verbergen hat. Ich muss es wissen. Wer ist er wirklich? Von der Idee, dass er gar nicht reich ist, bin ich abgekommen. Ich bin sicher, dass er immer Geld hatte und auch noch hat. Reichtum verleiht Selbstvertrauen, einen Schutzpanzer gegen kleine Sorgen und Ãngste. Sein Panzer ist unversehrt, ohne die kleinste Delle.
Das halte ich nicht aus. Ich bin diejenige, die etwas zu verbergen haben sollte, nicht er. Ich darf ihn nicht entkommen lassen, ohne herauszufinden, was es ist. Ich muss ihn aus der Deckung jagen, ihn überrumpeln, damit er sich verrät. Timothy glaubt vielleicht, ich hätte noch eine Chance, aber sein Urteil ist im Moment keinen Pfifferling wert. Zum ersten Mal weià ich nicht, was ich sagen oder tun soll.
Bis Mittag haben wir es zurück zum Parkplatz geschafft. Wir nehmen unsere Rucksäcke ab. Ich lehne mich gegen das Auto, strecke die Waden und massiere mir die verspannten Schultern. Jetzt will ich die Sache nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich schaue ihn nicht einmal an. Wahrscheinlich sehe ich ihn nie wieder.
»Tja«, sage ich. »Tut mir leid, dass Sie meinetwegen Ihr Wochenende vergeudet haben.«
»So würde ich das gar nicht nennen«, antwortet er.
Plötzlich schäme ich mich. Mein Vater hätte nie aufgegeben, und Ruby hätte mit Sicherheit bis zum Letzten gekämpft, um ihren Kunden nicht entwischen zu lassen. Egal, ob Daniel lügt oder ob er nun Geld hat oder nicht, die Meinung meiner Familie über mich steht auf dem Spiel. Reià dich zusammen, Della. Ich richte mich etwas auf und wende mich zu ihm um.
»Daniel, hören Sie. Hoffentlich haben Sie nicht ⦠gestern Abend â¦Â«
Die Sehnen an seinem Hals treten hervor. »Was habe ich gestern Abend hoffentlich nicht?«
Ich hole tief Luft und atme langsam wieder aus. »Hoffentlich haben Sie nicht gedacht, unsere⦠Beziehung wäre etwas anderes als⦠rein professionell. Wir haben nur zu viel Wein getrunken. Mehr nicht.«
Daniel lehnt sich an sein Auto und verschränkt die Arme. »Rein professionell, sagen Sie? Zu viel Wein?«
Ich ringe mir ein Lächeln ab und schlenkere möglichst unbekümmert mit den Armen. »Genau. Wein, Sterne, Mondlicht und so weiter. Zu dem Zeitpunkt war ich noch mit jemandem zusammen. Dachte ich. Gut, die Beziehung hat aus dem letzten Loch gepfiffen, aber das wusste ich noch nicht. Als ich Ihnen die Sache mit den Kiemenbogen erklärt habe, war ich in einer glücklichen ⦠na ja, vielleicht nicht glücklichen, aber zweifellos in einer Beziehung. Es kann also gar nichts passiert sein. Und ich bin nur der Arbeit wegen hier. Ich vertrete die Uni. Eine ehrwürdige Einrichtung. Aber mir ist schon klar, dass wir das Geld nicht bekommen.« Als ich fertig bin, lasse ich die Schultern hängen. Na, bitte. Ich habe es versucht.
Daniel blickt auf, als hätte er mich gerade erst bemerkt. Wieder verschränkt er die Arme. »Aha. Nur der Arbeit wegen.«
»Genau.«
»Vergessen
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