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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Jordan
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wollen es nicht. Das heißt doch noch nichts.« Ruby sitzt da mit ihrem Kaschmirpullover und den Diamantohrringen und redet über Limabohnen. Es fällt mir schwer, Mitleid aufzubringen. »Ruby, hör mal. Ich habe einen unglaublich anstrengenden Tag hinter mir, und das ist doch alles ewig her.«
    Â»So ewig nicht. Du wohnst zwar hier, aber du weißt längst nicht alles über das Leben deines Vaters oder über meines. In vielerlei Hinsicht bist du immer noch ein Kind, Della. Die anderen genauso. Wir können uns nur über Wasser halten, weil ihr Kinder Geld nach Hause bringt. Alle sechs. Und dann ist da noch deine Mutter.«
    Es wird totenstill im Zimmer, als hätte sie gerade ein Glas zertrümmert oder mich geschlagen. Ich muss mir das nicht anhören. Ich kann einfach aufstehen und nach unten gehen. Oder sie rauswerfen und die Tür zumachen. Das ist mein Zimmer.
    Â»Meine Mutter«, höre ich mich sagen. »Was ist mit meiner Mutter?«
    Â»Ich weiß, dass du gedacht hast, du würdest damit deinen Vater verraten«, sagt sie. »Deshalb hast du nie nach ihr gefragt.«
    Â»Ich bin müde, Ruby. Können wir nicht später darüber reden?«
    Ruby beugt sich vor und nimmt mir den Bären aus den Händen. Sie streicht das Fell an seinen Ohren glatt und richtet die winzige Fliege um seinen Hals. »Sie hat dir diesen Bären geschenkt, bevor sie weggegangen ist. Er war immer dein Liebling.«
    Â»Ich will das nicht hören«, sage ich. »Hör bitte auf.«
    Â»Sie hat es nicht ertragen«, spricht Ruby weiter. »Schon die Vorstellung, noch mal zu sitzen. Das erste Mal hat sie fast umgebracht.«
    Â»Noch mal zu sitzen.«
    Â»Im Gefängnis.«
    Sie wartet, aber ich sage nichts. Ich habe nichts zu sagen.
    Â»Es waren nur achtzehn Monate, aber sie hat es in engen Räumen nie aushalten können. Sie wäre früher rausgekommen, wenn sie dem Anwalt gesagt hätte, dass zu Hause zwei kleine Kinder auf sie warten, aber du kennst ja deinen Vater mit seinen Regeln. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen. Aber eines sage ich dir. Sie muss entsetzliche Angst vor dem Gefängnis gehabt haben, dich und Samson allein zu lassen.«
    Â»Das ergibt doch keinen Sinn. Warum ist sie dann nicht hier? Wenn sie nur achtzehn Monate bekommen hat.«
    Â»Dein Vater war immer so stolz auf seine Familientradition. Dass jemand anders leben wollte, war ihm unbegreiflich. Sie konnte keine Kunden mehr schröpfen, so etwas nicht mehr durchziehen. Sie hat es einfach nicht über sich gebracht. Aber sie wollte dir und Samson nicht dieses Haus nehmen, euer Heim, eure Cousins. Sie hatte sich verändert. Sie hat gedacht, sie wäre diejenige, die alles falsch sieht. Also ist sie gegangen.«
    Ich frage sie, woher sie das alles weiß, aber während sich meine Lippen noch bewegen, weiß ich schon die Antwort.
    Â»Sie ist zurückgekommen, als sie auf Bewährung entlassen wurde. Aber da war ich schon hier.«
    Eine Frau, die achtzehn Monate lang eingesperrt ist ohne Mann und Kinder. Die Einsamkeit, die Trennung, die Angst. Die Freude, sie nach ihrer Entlassung endlich wiederzusehen.
    Und dann hat eine andere Frau ihren Platz eingenommen.
    Â»Du warst schon hier«, sage ich.
    Â»Du darfst deinen Vater dafür nicht verurteilen, Della. Deine Mutter war lange weg. Er konnte sie nicht besuchen. Das hätte Papierkram und Ausweiskontrollen bedeutet, und so was hätte er nie mitgemacht. Auch du und Samson durftet sie nie besuchen. Er dachte, es würde euch nicht gut bekommen, wenn ihr ein Gefängnis von innen seht. Denn wenn man in unserer Branche eines braucht, dann ist es Selbstvertrauen. Und er musste arbeiten. Damals gab es keine alleinerziehenden Väter, und für die meisten Nummern brauchte man einen Partner.«
    Â»Ich habe sie gesehen. Als sie zurückgekommen ist, habe ich sie gesehen.«
    Â»Nein, hast du nicht. Sie hat die Tür nur einen Spaltbreit geöffnet, um in dein Zimmer zu sehen. Du hast geschlafen.«
    Â»Ich bin sehr müde, Ruby.« Ich strecke mich auf dem Bett aus und lege den Kopf auf das Kissen. »Ich muss jetzt schlafen.«
    Â»Sie war mir nicht böse, Della. Sie war sehr lieb und hat sich gefreut, dass ich hier bin und mich um dich kümmere. Auch deinem Vater war sie nicht böse. Sie wusste, dass er nicht anders leben konnte. Aber für sie waren die Regeln nichts, das wusste sie. Sie hat

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