Die schönsten Dinge
lachen.
»Was ist daran absurd?«
»Dass du für ihn das Frauchen spielen sollst. Oder für irgendwen. Stell dir das mal vor, du in einer Schürze beim Kochen. Oder Bügeln. Zum Schreien.«
»Hast du schon mitgekriegt, welches Jahr wir haben, Königin Viktoria? Er wollte mich heiraten, nicht mich zu seiner Leibeigenen machen.«
»Schon klar, Germaine. Der Sexismus kommt von dir, nicht von mir.« Er streckt die Beine aus und verschränkt die Arme. »Ich habe ja nicht gesagt, dass du für ihn kochen oder bügeln würdest. Das schaffst du ja nicht mal für dich selbst. Keiner von uns schafft das. Du kannst zwar werden, wer du willst, und sprichst eine ganze Reihe von Sprachen, aber allein würdest du keine zwei Minuten überleben. Und dein Zukünftiger wird wohl nicht hier einziehen und mit dir in deinem Einzelbett schlafen wollen.«
»Ich könnte das lernen. Das macht man doch so.«
»Aber wieso solltest du? Ehe, Kinder, Haushalt. Hypotheken, mein Gott. Ãberlass das den anderen. Ãber solche Sachen müssen wir uns keine Sorgen zu machen. Wir haben Glück. Wir werden immer glücklich und zufrieden im SchoÃe der Familie leben. Du und ich, Della, wir werden zusammen alt.«
Ich drücke das Gesicht in das Kissen. Es riecht nach meinem Bruder und erinnert mich an unsere Kindheit, daran, wie wir miteinander gespielt und uns gestritten haben. Solange er lebt, werde ich nie allein sein. So viel von dem, was ich bin und was ich tue, ist auch ein Teil von ihm.
»Du hast recht. Soll Ruby sagen, was sie will, ich weiÃ, dass du recht hast.«
»Was sagt Ruby denn?«
Ich lächle ihn an. »Vergiss es. Aber wenn du noch mal mitten in einer Nummer jemandem sagst, wo ich bin, wird das nichts mit dem gemeinsamen Alter. Dann bringe ich dich nämlich eigenhändig um und verstecke deine Leiche so, dass sie nie gefunden wird.«
»Ist okay«, sagt er. Das ist die beste Entschuldigung, die er hinbekommt, und jetzt ist der richtige Moment, um ihn um einen Gefallen zu bitten. Also erzähle ich es ihm.
Ich erzähle ihm, was ich für Daniel empfinde, von dem aufregenden Kribbeln, der Erschöpfung. Ich erzähle, dass es mir vorkommt, als ginge es bei diesem Coup um Leben und Tod, und dass ich an nichts anderes mehr denken kann. Nur die Sache auf dem Parkplatz erwähne ich nicht.
»Ich will wissen, was hier gespielt wird, Sam. Ich muss es wissen. Hilfst du mir?«
»Als müsstest du erst fragen«, sagt er.
Als ich mich fertig mache, achte ich auf das kleinste Detail, als würde ich mich für eine Hochzeit anziehen oder für eine Beerdigung. Ich lackiere FuÃ- und Fingernägel neu und wachse mir die Beine. Mein Haar ist geglättet und zu einer Banane hochgesteckt. Dazu trage ich mein Lieblingskleid aus meiner Societygarderobe: mit tiefem Dekolleté, schmaler Taille und ausgestelltem Rock. Smaragdgrüner Samt. Es ist völlig unpassend, aber ich werde behaupten, ich würde danach zu einer anderen Verabredung fahren. Ich sitze im Bademantel auf einem Hocker mit Brokatbezug vor der Frisierkommode, mit gesenktem Blick wie vor einem Altar, und als ich das Bürstchen der Wimperntusche hebe, sehe ich, dass meine Hand zittert. Als Ruby mir Tee bringt und mit dem ReiÃverschluss hilft, ernsthaft und mit gesenktem Kopf, sagt sie kein Wort. Ich komme mir vor wie bei einer Zeremonie. In ein paar Stunden ist alles vorbei. Ich werde mit dem Scheck in der Tasche zu Hause sitzen, während mein Vater den Champagner öffnet. Jetzt mache ich mich für meine Erinnerung an meine letzte Begegnung mit ihm zurecht. Und dafür, wie Daniel Metcalf mich in Erinnerung behalten soll.
Als ich mein Zimmer verlasse, habe ich noch reichlich Zeit. Auf der Treppe bemerke ich Geräusche und Bewegungen: Jemand duscht, einige Zimmertüren sind geschlossen. Ich gehe aus dem Haus, ohne mit jemandem zu reden. Ich wünschte, der ganze Abend würde in Zeitlupe ablaufen, damit ich mich an jeden Augenblick erinnern kann.
Mit wachen Sinnen durchquere ich den Flur, öffne alle Schlösser an der Eingangstür und schlieÃe wieder ab. Auf dem Weg zum Auto sehe ich im gröÃten Apfelschuppen Licht flackern. Etwas rührt sich dort, ich höre ein Scharren. Erst will ich mich nicht ablenken lassen und es ignorieren, aber dann gehe ich nachsehen. Ich laufe neben der Einfahrt her, damit der Kies nicht knirscht und
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