Die schönsten Dinge
kurz nach euch gesehen, ein paar Sachen gepackt und ist gegangen. Dann habe ich nur noch gehört, dass sie nach London geflogen ist. Sie hatte da Familie, ihre Eltern und einen Bruder. Er hatte seine eigene Druckerei, glaube ich. In Manchester. Es hieÃ, sie würde nicht zurückkommen.«
An ihren FüÃen, die fest auf dem Boden stehen, und dem entschlossenen Zug um ihren Mund kann ich ablesen, dass sie jetzt getan hat, was sie sich vorgenommen hatte. Warum es ausgerechnet jetzt sein musste, könnte ich höchstens raten. Sicher bin ich nur, dass ich das nicht hören wollte. Niemals und besonders jetzt nicht. Aber ich habe es gehört, und jetzt ist es zu spät.
»Bitte, Ruby. Bitte geh jetzt.«
Sie kommt herüber, setzt sich neben mich und legt mir eine Hand an die Stirn. Auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, habe ich das Gefühl, diese Geste zu kennen. Als wäre ich ein kleines Kind, das vielleicht Fieber hat.
»Della, ich liebe deinen Vater von ganzem Herzen. Vom ersten Moment an. Er sagt, unser Leben sei das beste, das man sich vorstellen kann. Ich werde ihm da nicht widersprechen, aber ich kenne auch kein anderes. Meine Familie war genauso wie diese hier, deinen Vater habe ich sogar bei der Arbeit kennengelernt. Aber du kannst wählen. Bevor du dieses Geld von Daniel Metcalf nimmst, musst du dir sicher sein, dass du dieses Leben führen willst. So, wie es wirklich ist. Nicht die Version, die du immer durch deine rosarote Brille gesehen hast.«
»Glaubst du, ich wüsste nicht, dass ich dabei ins Gefängnis kommen kann? Ich bin erwachsen. Ich kenne die Risiken.«
»Etwas vom Kopf her zu wissen ist etwas anderes, als es in deinem Innersten zu spüren. Es geht hier nicht um die Regeln deines Vaters. Dieser Beruf hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Opfer und Risiken genauso wie Champagner und Kaviar. Und ja, vielleicht kommst du ins Gefängnis. Vielleicht musst du jemandem Geld abnehmen, obwohl du es gar nicht willst.«
»Werd nicht albern. Ich will das Geld. Wirklich. Wir nehmen nur Leuten Geld ab, die reich, dumm, gierig oder faul sind. Und sie haben verdient, es zu verlieren. Mehr ist nicht dabei.«
»Es ist deine Sache, was du glauben willst, Della. Du musst auf niemanden hören. Du musst deine eigenen Entscheidungen treffen.«
»Ruby, bitte. Ich habe Verantwortung. Ich muss den Scheck bekommen. Ich muss.«
Ich schlieÃe die Augen, und als ich sie wieder öffne, ist Ruby gegangen. Ich bin allein in meinem Zimmer, allein mit meinem Kleiderschrank voll verschiedener Outfits und dem Hohlraum unter dem Boden, in dem meine Pässe liegen. Ich betrachte meine Hände, die vom Bad immer noch verschrumpelt sind. Das sind nicht die Hände einer Wissenschaftlerin. Auch nicht einer Sekretärin, einer Krankenschwester oder einer Hippiefrau. Trotzdem bin ich all das. Vielleicht habe ich die Hände meiner Mutter, aber wie soll ich das wissen? Wenn Ruby sagt, ich sollte meine eigenen Entscheidungen treffen, dann ist die Frage, als wer ich das tun soll.
A ls ich aufwache, ist es schon dunkel, im Haus ist es still, und ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich muss mit Sam reden. Leise gehe ich die Treppe hinunter und klopfe an seine Tür.
»Herein!«, ruft er. Er kniet zwischen Wannen mit Chemikalien auf dem Boden und wäscht Schecks. Dad würde ihn umbringen, wenn er das sehen würde. Das sollen wir nicht in unseren Zimmern machen, damit die Lösungsmittel nicht auf den Teppich spritzen. Für so etwas haben wir unten ein Badezimmer wie eine Dunkelkammer ausgestattet, mit Flaschen voller Bleiche, Aceton und Hydrochlorid. Ich schlieÃe die Tür hinter mir.
»Hi«, sagt er und zieht die Handschuhe aus. »Das Schlafen hat dir offenbar gutgetan.«
»Fang gar nicht erst an. Vor Dad habe ich nichts gesagt, aber wegen deiner groÃen Klappe hätten wir die Sache beinahe versägt.« Ich schiebe einen Berg Kleidung und Bücher vom Bett, lege mich hin und umklammere eines seiner Kissen.
»Hab schon gehört. Die anderen sind wieder da, und Julius hat mir alles erzählt. Tut mir echt leid, Della. Ich hätte nicht gedacht, dass Timmy dir nachfährt, und schon gar nicht, dass er dir einen Antrag macht. Ich weiÃ, ich habe dich damit aufgezogen, aber das ist doch absurd.« Und dann lacht er schallend, bis er sich eine Träne wegwischen muss. Ich kann darüber nicht
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