Die schönsten Dinge
Affäre.«
Ich muss laut lachen. »Das ist nicht dein Ernst, Ruby. Er arbeitet an einer groÃen Sache, das ist alles. Das hat er selbst gesagt.«
»Er kleidet sich besser. Er hat sich die Haare gefärbt â ist dir das aufgefallen? Und er ist allein losgezogen und hat neue Unterwäsche gekauft. Was könnte das sonst bedeuten? Wenn Männer selbst Unterwäsche kaufen, haben sie eine Affäre, das weià doch jeder. Er ist nicht mehr der Jüngste, aber in unserem Alter werden Männer Mangelware.«
»Was meinst du mit âºin unserem Alterâ¹? Du bist zwanzig Jahre jünger als er. Er kann von Glück sagen, dass er dich hat.«
Da nickt sie und schweigt lange. Mir fallen die Augen zu, beinahe schlafe ich ein. Als ich sie wieder öffne, ist Ruby immer noch da. Ihr Gesicht ist blass und ernst.
»Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass eine Familie wie ein Land ist?«, fragt sie. »Mit einer Regierung und einer Sprache und eigenen Sitten, genau wie ein Land?«
Wieder muss ich fast lachen, weil es so weit von dem entfernt ist, was mich gerade beschäftigt. Ich schüttle den Kopf. »Ehrlich gesagt nein, Ruby. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
»Diese Familie ist ein typisches Beispiel. Wir haben ziemlich seltsame Angewohnheiten. Etwa, dass wir nur über gute Zeiten reden. Als wäre unser Beruf der einzige auf der Welt, in dem niemand je einen schlechten Tag hat. So hat dein Vater es immer gehalten.«
»Ist doch auch verständlich.« Ich versuche gar nicht, mein Gähnen zu verbergen. »So bleiben wir motiviert. AuÃerdem haben wir doch auch groÃartige Zeiten erlebt. Mir fallen da viele Momente ein. Aufregende, glamouröse Zeiten.«
»âºAufregende, glamouröse Zeitenâ¹?« Sie lacht: Ich habe einen Witz gemacht, der nicht lustig ist. »Es gab auch genug schlimme Zeiten, aber daran erinnerst du dich nicht. Niemand tut das.«
»Ruby, ich würde jetzt wirklich gerne schlafen. Können wir nicht später darüber reden?«
»So wie damals, als du etwa sechs warst. Bei manchen Leuten, sehr gefährlichen Leuten, sollte man nie versuchen, sie reinzulegen. Dein Vater hatte sich die falschen Kunden ausgesucht. Leute, die auf ihre eigene Art Gerechtigkeit üben wollten. Wir sind einfach ins Auto gestiegen und losgefahren, du, Samson, er und ich. Sechs Wochen lang sind wir durch die Gegend gefahren, bis wir sicher waren, dass sie uns nicht finden. Wir haben im Auto geschlafen und gegessen, was wir irgendwo auftreiben konnten. Haben uns auf Plantagen geschlichen, um Obst zu klauen. Wenn wir konnten, haben wir geangelt.«
»Daran erinnere ich mich. Das war ein Urlaub. Eine Rundreise. Es war ein Abenteuer.«
»Della, das war eine verzweifelte Flucht. Wir dachten, unser System hätte versagt, dieses Haus hier wäre aufgeflogen. Wir wollten verhindern, dass dein Vater irgendwo in einer Grube verscharrt wird«, sagt sie. »Uns blieb nicht einmal genug Zeit, um zu packen. Wir hatten nicht mehr dabei als die Sachen am Leib und etwas Geld, das dein Vater versteckt hatte.«
Wir sind ganze Tage gefahren, und nachts lag ich ausgestreckt auf dem Rücksitz oder auf einer Picknickdecke unter einem Baum. »In meiner Erinnerung war das anders.«
»Er wollte euch keine Angst machen. Er wollte für euch beide immer nur das Beste. Ihr wart noch zu klein. Das hättet ihr nicht verstanden.«
»Das stimmt«, sage ich. »Er wollte für uns immer nur das Beste. Ich hatte die schönste Kindheit, die man sich wünschen kann.«
»Aber wir hatten noch öfter Ãrger. Einmal konnten wir euch nicht mal hierbehalten. Wir haben Samson zu einem alten Freund eures Vaters mit einer Rinderfarm in New South Wales geschickt. Du bist zu einer Frau gekommen, mit der ich zur Schule gegangen bin. Unten an der Küste.«
»Das weià ich noch«, sage ich. »Sie hatte zwei Hunde â Kelpies. Ich habe immer mit ihnen gespielt. Das war auch ein Urlaub.«
»Ganz zu schweigen von den Coups, die nicht funktioniert haben. Von den Monaten, in denen wir nicht satt wurden und kein Benzin für die Autos hatten. Bohnen. Herrje, ich hoffe, ich muss nie wieder eine Limabohne essen. Manchmal waren wir so hungrig, dass wir nicht schlafen konnten. Einmal hat Ava als Kellnerin gearbeitet, damit wenigstens etwas Geld ins Haus kam. Sydney hat Obst gepflückt. Dein Vater war
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