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Die schönsten Dinge

Die schönsten Dinge

Titel: Die schönsten Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Jordan
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stinkwütend auf die beiden, für ihn war das ein Verrat. Er dachte, wenn sie die Nerven behalten, tut sich schon eine andere Gelegenheit auf. Sie wollten nur etwas zu essen auf den Tisch bringen. Sie hatten vier Kinder.«
    Während sie davon erzählt, sehe ich mich plötzlich neben Sam im Vorgarten stehen und weinend Syd und Ava und ihren Kindern nachschauen. Julius drückt sich die Nase an der Heckscheibe des Autos platt und winkt. Selbst das Haus hat traurig gewirkt, ohne sie war es leer, verlassen und voller Echos. Und mir fallen die Bohnen wieder ein, besser gesagt das Gefühl, mit dem ich mich an den Tisch setzte, wenn ich sie auf dem Teller sah, weiß und aufgeplatzt vom Kochen, mit bitterem Grünzeug daneben. »Löwenzahn«, sage ich. »Den Löwenzahn habe ich gehasst.«
    Â»Aber du warst so hungrig, dass du ihn gegessen hast. Auch Brennnesseln und gekochten Weißen Gänsefuß.«
    Â»Das hatte ich vergessen.«
    Â»Weil wir nach dem Essen kein Wort mehr darüber verloren haben. Dein Vater erzählt nur von den guten Zeiten, von den Feiern und dem Champagner. Er hatte da dieses Spiel: Er hat Bohnen auf die Gabel genommen, und bevor er dich damit gefüttert hat, hast du gefragt, was für Bohnen das sind. ›Die hier?‹, hat er gesagt. ›Das sind Bohnen mit Schweinebratengeschmack.‹ Und die nächste Gabel schmeckte nach Schokoladentorte. Oder Pfannkuchen. Du und Samson habt gar nicht aufgehört zu lachen. Für euch war das ein großartiges Spiel. Er hat euch fast so weit bekommen zu glauben, dass ihr alles Mögliche esst, nur keine Bohnen.«
    Im hintersten Winkel meines Gedächtnisses regt sich etwas: Sam und ich als Kinder, wie wir lachend auf die nächste verrückte Geschmacksrichtung warten, die Dad sich ausdenkt. »Daran erinnere ich mich.«
    Â»Und niemand redet über die ganzen Sachen, die hier rein- und rauswandern. Keines von euch Kindern hat je gefragt, warum irgendwas einfach auftaucht und wieder verschwindet. In einem Jahr kauft euer Vater antike Tische und edles Porzellan und Silberbesteck. Edelsteine für uns beide, echte Smaragde, nicht den Mist, den er verhökert. Im nächsten Jahr verkauft er alles wieder. Das Haus kommt mir vor wie ein Geisterhaus. Ich sehe die Stellen an den Wänden, an denen mal Gemälde hingen. Der seidene Perserteppich, der im Wohnzimmer lag? Den habe ich geliebt. Einmal hatten wir keine Teller. Keine Teller! Wir haben von Topfdeckeln gegessen, von denen wir die Griffe abgeschraubt hatten. In diesem Haus kommt und geht alles.«
    Ich wüsste nicht, dass wir von Topfdeckeln gegessen haben. Aber an den Teppich kann ich mich erinnern: türkis und gold, mit glitzernden Fransen und so weich wie ein junges Kätzchen. Sie hat recht. Der Teppich war irgendwann einfach verschwunden. Warum habe ich nicht danach gefragt?
    Â»Vielleicht habe ich es gewusst. Oder ich wollte es nicht wissen.«
    Â»Du hast deinen Vater immer vergöttert. Wenn man jemandem etwas oft genug sagt, besonders einem Kind, sieht er irgendwann nichts anderes mehr. Erinnerungen sind so leicht zu beeinflussen, Della, das weißt du.«
    Â»Dann hatten wir halt schwere Zeiten. Die hat jeder.«
    Â»Als du klein warst, wolltest du so gerne ein Hündchen haben. Dein Vater hat gesagt, das ginge nicht, falls wir irgendwann schnell verschwinden müssten. Du weißt nicht mehr, wie viele Tränen du deswegen vergossen hast. Und du weißt nicht mehr, wie du geweint hast, weil du zur Schule gehen wolltest. Du hast an deinem Fenster gesessen und nach draußen gestarrt, genau wie gerade, als wir hereingekommen sind, und hast den Nachbarskindern nachgesehen, wenn sie zur Schule gegangen sind. Ich musste dir eine falsche Uniform nähen, und du hast sie jeden Tag angezogen. Du hast dich mit deinem Bücherstapel an den Küchentisch gesetzt, als du kaum über die Kante sehen konntest, und hast jeden Morgen gebettelt, dass ich für dich und Julius ein Lunchpaket machen soll. Dann bist du nach draußen gerannt und hast unter den Apfelbäumen gegessen, hast vor dich hin geredet und getan, als wären andere Kinder da. Du wolltest mich unbedingt Miss de Bois nennen statt Ruby.«
    Ich schüttle leicht den Kopf, um wach zu werden. »Dad hat uns lieb und will uns beschützen. Soll ich das etwa schlimm finden? Ich wollte zur Schule gehen, na und? Millionen von Kindern, die zur Schule gehen,

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