Die schönsten Dinge
begrüÃt mich auch nicht und lächelt nicht einmal. »Es lieg hier drin«, sagt er bloÃ, wendet sich ab und geht durch die Eingangshalle zu dem Zimmer, in dem ich ihm vor nicht einmal zwei Wochen zum ersten Mal begegnet bin.
Als ich die Haustür hinter mir schlieÃe und ihm folge, muss ich an unsere Wanderung durch den Wald denken. Daran, wie ich ihn Tausende Schritte über beobachtet habe, und an die Gedanken, die mir durch den Kopf gegangen sind. Der lange Läufer dämpft das Klackern meiner Absätze. Im Esszimmer setzt sich Daniel an den Tisch, auf dem Papiere ausgebreitet liegen. Er schiebt einen Umschlag über den Tisch.
»Eine Viertelmillion«, sagt er. »Wie abgemacht.« Dann greift er zu seinem Stift und arbeitet weiter. Ich stehe reglos da. Das Gewicht habe ich gleichmäÃig auf beide FüÃe verteilt. Meine Hände sind gefaltet. Ich habe den ganzen Abend Zeit. Dann regt sich etwas vor dem Fenster, aus dem Augenwinkel sehe ich etwas in Weià und Grellorange aufleuchten. Das Zimmer geht auf die StraÃe hinaus, und am anderen Ende der Auffahrt steht ein weiÃer Lieferwagen von Telstra. Ein Mann mit Overall und fluoreszierender Sicherheitsweste stellt auf dem Bürgersteig Pylonen und ein Schild auf, auf dem steht: FuÃgänger bitte andere StraÃenseite benutzen. StraÃenarbeiten. Die Heckklappe des Lieferwagens steht offen.
Ich gehe zum Fenster und ziehe den Vorhang zurück. Sonst ist auf der StraÃe niemand zu sehen. »Hast du Probleme mit deinem Internetanschluss?«, frage ich.
Daniel blickt auf und schüttelt den Kopf. »Wieso?«
Ich sehe noch einmal aus dem Fenster. Der Arbeiter ist ein gutes Stück entfernt, aber ich weiÃ, dass er gleich einen Presslufthammer aus dem Lieferwagen holen und einen Heidenlärm veranstalten wird. »Da drauÃen will gerade jemand den Gehweg vor deiner Auffahrt aufreiÃen. Wie kommst du dann mit deinem Auto raus?«
Daniel kommt herüber und sieht aus dem Fenster. »Mist. Bin gleich wieder da.«
Ich folge ihm zur Tür des Esszimmers und sehe ihm nach, als er die Halle durchquert und die Auffahrt hinunterläuft. Sam wird ihn eine Weile beschäftigen. Sie werden sich streiten, Unterlagen herauskramen, den Vorgesetzten anrufen. Als Daniel auÃer Sichtweite ist, laufe ich nach oben.
O ben habe ich ein Arbeitszimmer, das mir gehört. Dort bewahre ich alles Wichtige auf.
Ich renne die Prunktreppe hinauf. Sie wird von einem geschnitzten Geländer eingefasst, auf den einzelnen Stufen halten verzierte Goldstäbe den Teppich fest. Zuerst muss ich das Zimmer finden. Im ersten Stock gelange ich in einen breiten Flur mit Gemälden in verschnörkelten Goldrahmen und mehreren verschlossenen Türen links und rechts. Dann fällt mir auf, dass in allen Türen altmodische Schlüssel stecken, mit einer Ausnahme. Die Tür ohne Schlüssel liegt gegenüber der Treppe und direkt über dem Esszimmer. Ich bleibe stehen. Auch ohne den fehlenden Schlüssel hat dieses Zimmer etwas, das mich anzieht. Vielleicht sind es die Generationen guter Instinkte. Ich lege die Hand flach auf die Tür. Sie fühlt sich beinahe lebendig an.
Aus meiner Tasche hole ich ein ledernes Necessaire mit der klassischen Nagelfeile und einer Polierfeile und, in einem versteckten Täschchen darunter, allen Werkzeugen zum Schlösserknacken. Es ist ein einfaches Schloss: Im Nu ist es geöffnet. Ich sehe mich nach beiden Seiten um. Der Flur liegt still da, alle anderen Türen bleiben geschlossen. Ich spüre den rutschigen Seidenteppich unter den Absätzen. Beim kleinsten Druck schwingt die Tür auf.
Aus zwei hohen Fenstern mit Läden sieht man auf die Auffahrt und die StraÃe hinaus. Die Fensterläden sind geöffnet, drauÃen ist die Dämmerung angebrochen. Auf einem Schreibtisch steht eine Lampe mit grünem Schirm, aber es ist noch nicht richtig dunkel, und ich brauche kein Licht. Bis auf meinen Atem ist alles still.
Ich stehe in einem Arbeitszimmer, aber es sieht ganz anders aus als das meines Vaters. Auch hier säumen Bücher die Wände, aber sie sind nicht verstaubt und wahllos in irgendwelche Lücken gestopft. Hier herrscht Ordnung, aber die Bücher sind keine hübschen Lederausgaben, die ein Innenarchitekt ausgesucht hat, so wie die erlesenen Exemplare unten. Viele sind hässlich, haben gerissene Einbände und scheuÃliche Rücken. Diese
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