Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
gehen, und gucken noch einmal hinein. Sieh mal, jetzt hat sie uns den Rücken zugewandt, aber ich habe sie doch noch gesehen. Was für ein Jammer, Mascha.«
»Ja, und dieser Schmutz hier!«, erwiderte Mascha, und beide liefen zum Tor zurück.
Ich muss wohl furchtbar elend aussehen, dachte die Kranke. Wenn ich nur schnell, möglichst schnell ins Ausland käme, dort würde ich mich bald erholen.
»Nun, Liebste, wie geht es?«, fragte ihr Mann, als er, noch am letzten Bissen kauend, wieder zum Wagen zurückkehrte.
Immer ein und dieselbe Frage, dachte die Kranke. Und er isst noch dabei!
»Es geht«, antwortete sie widerstrebend.
»Weißt du, Liebste, ich fürchte, dein Zustand könnte sich durch die Reise bei diesem Wetter verschlechtern, und auch Eduard Iwanowitsch ist dieser Meinung. Sollten wir nicht doch lieber zurückfahren?«
Sie schwieg eisig.
»Das Wetter wird sich vielleicht bessern, die Wege werden besser befahrbar sein, und du hättest es leichter; auch könnten wir dann alle zusammen fahren.«
»Nimm es mir nicht übel, aber wenn ich nicht so lange auf dich gehört hätte, wäre ich jetzt in Berlin und schon längst wieder ganz gesund.«
»Es ließ sich doch nicht machen, mein Engel, du weißt selbst, dass es unmöglich war. Aber wenn du jetzt noch einen Monat warten wolltest, würdest du inzwischen zu Kräften kommen, ich hätte meine Geschäfte erledigt, und die Kinder nähmen wir dann auch mit.«
»Die Kinder sind gesund, ich aber nicht.«
»Aber du musst doch einsehen, Liebste, wenn sich dein Zustand bei diesem Wetter unterwegs verschlechtert… so wäre man doch wenigstens zu Hause.«
»Wozu zu Hause? Zum Sterben?«, fuhr die Kranke auf. Doch das Wort »Sterben« hatte sie sichtlich erschreckt, und sie sah ihren Mann mit einem flehenden, fragenden Blick an. Er schlug die Augen nieder und schwieg. Da verzerrte sich der Mund der Kranken plötzlich zu einer kindlichen Grimasse, und Tränen schossen ihr aus den Augen. Der Mann drückte sein Taschentuch vors Gesicht und trat wortlos vom Wagen zurück.
»Nein, ich fahre weiter«, murmelte die Kranke und begann mit zum Himmel erhobenen Augen und gefalteten Händen unzusammenhängende Worte zu flüstern. »O mein Gott! Wofür nur?«, stammelte sie, und die Tränen entströmten noch heftiger ihren Augen. Sie betete lange und inbrünstig, doch der schmerzhafte Druck in ihrer Brust ließ nicht nach, der Himmel, die Felder und der Weg sahen ebenso grau und trübe aus wie vorher, und unverändert, weder sich verdichtend noch sich lichtend, fiel ein herbstlicher Nebel und legte sich auf den Schmutz des Weges, auf die Dächer, auf die Kutsche und auf die Schafpelze der Kutscher, die sich mit kräftigen, fröhlichen Stimmen unterhielten, während sie die Wagen schmierten und die Pferde anspannten…
2
Die Pferde waren angespannt, aber der Kutscher säumte noch mit der Weiterfahrt. Er war erst noch in die Kutscherstube gegangen. In der Stube war es heiß, stickig und dunkel, es roch nach Menschen, frischgebackenem Brot, Kohl und Schafspelzen. Hier saßen mehrere Kutscher beisammen, die Köchin hantierte am Ofen herum, auf dem, mit einem Schafspelz bedeckt, ein Kranker lag.
»Onkel Fjodor! He, Onkel Fjodor!«, rief der Kutscher, ein junger Bursche in einem Schafspelz und mit der Peitsche am Gürtel, als er die Stube betrat, zum Kranken hinüber.
»Was willst du von Fedka, du Nichtsnutz?«, mischte sich einer der anderen Kutscher ein. »Siehst du nicht, dass man am Wagen schon auf dich wartet?«
»Um seine Stiefel will ich ihn bitten; an meinen sind die Sohlen durch«, antwortete der Bursche, mit einer Kopfbewegung das Haar zurückwerfend, und schob die im Gürtel steckenden Fausthandschuhe zurecht. »Oder schläft er? He, Onkel Fjodor!«, rief er noch einmal und trat näher an den Ofen heran.
»Was denn?«, ertönte eine matte Stimme, und das rotbärtige eingefallene Gesicht des Kranken beugte sich über den Ofenrand. Mit seiner breiten, ausgemergelten und blutleeren behaarten Hand zog er seinen Bauernrock über die sich unter dem schmutzigen Hemd spitz abzeichnenden Schultern. »Gib mir zu trinken, Bruder! Was willst du von mir?«
Der Bursche reichte ihm eine Kelle mit Wasser.
»Ich meinte nur«, sagte er, verlegen von einem Fuß auf den anderen tretend, »dass du deine neuen Stiefel jetzt nicht brauchst, Fedja. Gib sie mir, wenn du doch nicht nach draußen gehst.«
Der Kranke beugte sich mit seinem müden Kopf über die blanke Kelle und trank,
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