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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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vorstreckte, wie man sie wohl nicht lange halten kann, erschien dann der Fürst mit einem Tschako auf dem Kopf und in einem langen Mantel, dessen grauer Biberkragen sein schönes Gesicht mit den rosigen Wangen und den von schwarzen Brauen beschatteten Augen verdeckte, obwohl er doch gar keinen Grund hatte, es zu verbergen. Während er, mit dem Säbel, den Sporen und den Messingbeschlägen an den Absätzen seiner Stiefel klirrend, über den Teppich schritt, schien er es sehr eilig zu haben und beachtete weder mich noch Feofan – nichts von dem, was alle außer ihm mit Bewunderung betrachteten. Feofan schnalzte nochmals mit der Zunge, ich legte mich in die Zügel, und gemessen, im Schritt, fuhren wir vor und hielten vor dem Fürsten an; ich schielte zu ihm hinüber und schüttelte meinen rassigen Kopf mit dem feinhaarigen Schopf. Wenn der Fürst guter Laune war, scherzte er wohl mal mit Feofan; Feofan antwortete dann, seinen schönen Kopf ein wenig umwendend, machte, ohne die Arme zu senken, eine kaum bemerkbare Bewegung mit den Zügeln, und eins-zwei, eins-zwei, immer weiter ausholend, jeden Muskel anspannend und vor mir den Schnee und Schmutz zur Seite schleudernd, setzte ich mich in Trab. Auch den jetzigen dummen Brauch, dass der Kutscher ›oh!‹ ruft, als ob ihm etwas weh täte, gab es damals noch nicht, nein, man rief für jeden verständlich: ›Achtung, aufgepasst!‹ Wenn Feofan diesen Ruf ausstieß, dann traten die Leute zur Seite, blieben stehen und reckten den Hals, um sich am Anblick des schönen Wallachs, des schönen Kutschers und des schönen Herrn zu weiden.
    Es machte mir Freude, andere Traber zu überholen. Manchmal, wenn Feofan und ich vor uns in der Ferne ein Gespann erblickten, das unsere Anstrengung wert war, dann jagten wir wie ein Sturmwind hinter ihm her, rückten ihm immer näher und näher, schon schleuderte ich den Straßenschmutz gegen die Lehne des fremden Schlittens, schnaufte über den Kopf seines Insassen hinweg, lief am Kutschersitz, am Krummholz des Trabers vorüber und sah im nächsten Augenblick nichts mehr von ihm, sondern hörte nur noch sein hinter mir aus immer größerer Ferne kommendes Getrappel. Der Fürst aber, Feofan und ich, wir schwiegen alle drei und gaben uns den Anschein, einfach so für uns hin zu fahren und die Schlitten mit schlechten Pferden, denen wir unterwegs begegneten, überhaupt nicht zu bemerken. Es machte mir Freude, einen guten Traber zu überholen, doch freute ich mich auch, wenn ich einem begegnete: ein kurzer Moment, ein Laut, ein Blick – und schon waren wir aneinander vorübergehuscht und flogen jeder für sich in entgegengesetzter Richtung weiter …«
    Das Tor knarrte, und die Stimmen von Nester und Waska wurden laut.
     
    Die fünfte Nacht
     
    Das Wetter war umgeschlagen. Der Himmel war trübe, am Morgen hatte kein Tau gelegen, aber es war warm, und die Mücken wurden immer lästiger. Sobald die Herde abends nach Hause getrieben war, umringten die Pferde aufs Neue den Schecken, der seine Geschichte nun zu Ende erzählte.
    »Die glückliche Zeit meines Lebens war bald vorüber. Sie währte nur zwei Jahre. Gegen Ende des zweiten Winters trug sich etwas für mich höchst Erfreuliches zu, dem jedoch das größte Unheil folgte. In der Butterwoche fuhr ich eines Tages mit dem Fürsten zu einem Rennen. Laufen sollten Atlasny und Bytschok. Was der Fürst in der Kabine vereinbart hatte, weiß ich nicht, erinnere mich aber noch, wie er herauskam und Feofan anwies, mit mir ins Rondell zu fahren. Ich wurde an den Startplatz geführt und dort zusammen mit Atlasny aufgestellt. Atlasny lief mit einem Jockei, ich dagegen so, wie ich war, vor unserem gewöhnlichen Schlitten. In der Kurve stürmte ich an ihm vorüber; freudiges Gelächter und tosende Beifallsrufe begrüßten mich.
    Als ich zurückgeführt wurde, folgte mir eine große Menschenmenge. Etwa fünf Mann boten dem Fürsten Tausende. Er lachte nur, und seine weißen Zähne blitzten.
    ›Nein‹, sagte er, ›dies ist kein Pferd, sondern ein Freund, der mir für Berge von Gold nicht feil ist. Auf Wiedersehen, meine Herren! ‘
    Und damit schlug er die Decke des Schlittens zurück und stieg ein.
    ›In die Stoshinka!‹ Dort wohnte seine Geliebte. Wir sausten los. Es war mein letzter glücklicher Tag.
    Wir fuhren bei ihr vor. Der Fürst nannte sie immer die
Seine.
Aber sie hatte sich in einen andern verliebt und war mit ihm auf und davon gefahren. Der Fürst erfuhr dies in ihrer Wohnung. Es war fünf

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