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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Mensch war er ja schließlich, wenn er auch heruntergekommen war.
    Er griff nach einer Zigarre. Doch da nahm der Hausherr ungeschickterweise gleich eine ganze Handvoll Zigarren aus der Kiste und hielt sie seinem Gast hin.
    »Du wirst sehen, wie gut sie sind. Nimm nur!«
    Nikita wehrte mit der Hand ab, und in seinen Augen spiegelte sich ein Anflug von verletztem Stolz und Scham. »Nein, danke.« Er zog sein Etui hervor. »Probiere mal eine von meinen.«
    Die Dame des Hauses war feinfühlig. Sie bemerkte die Verstimmung des Gastes und beeilte sich, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
    »Ich mag Zigarrenduft sehr gern. Wenn nicht ohnehin alle um mich herum rauchten, würde ich selbst rauchen«, sagte sie mit ihrem reizenden, gütigen Lächeln, worauf er mit einem etwas zaghaften Lächeln antwortete. Er hatte nämlich zwei Zahnlücken.
    »Nein, nimm diese. Ich habe aber auch leichtere«, fuhr der ungeschlachte Hausherr fort.
»Fritz, bringen Sie noch eine Kasten – dort zwei« 1 ,
wandte er sich radebrechend an den Diener, einen Deutschen.
    Der Diener brachte eine weitere Kiste.
    »Welche rauchst du lieber? Starke? Diese hier sind sehr gut. Nimm sie nur alle.« Er drängte dem Gast weiter seine Zigarren auf. Er war offenbar froh, jemand zu haben, vor dem er sich mit seinen Kostbarkeiten brüsten konnte, und merkte nicht, wie er den andern kränkte. Serpuchowskoi zündete sich eine Zigarre an und beeilte sich, auf das unterbrochene Gespräch zurückzukommen.
    »Wie viel hast du für den Atlasny gezahlt?«, fragte er. »Er ist mich teuer zu stehen gekommen, an die fünftausend, doch dafür bin ich jetzt auch fein heraus. Das ist ein Nachwuchs, kann ich dir sagen!«
    »Traber?«, fragte Serpuchowskoi.
    »Ja, ausgezeichnete. Ein Sohn von ihm hat eben erst drei Preise gewonnen – in Tula, in Moskau und in Petersburg, wo er zusammen mit Wojejkows Worony gelaufen ist. Der blöde Jockei hat ihn viermal aus dem Schritt gebracht, sonst wäre er als Erster durchs Ziel gegangen.«
    »Sie sind etwas feucht. Es ist viel holländischer Tabak dabei, scheint mir«, bemerkte Serpuchowskoi.
    »Und nun gar die Stuten! Ich werde sie dir morgen vorführen. Für die Dobrynja habe ich dreitausend und für die Laskowaja zweitausend gezahlt.«
    Und der Hausherr begann wieder, seine Reichtümer aufzuzählen.
    Die Dame des Hauses sah, dass dies Serpuchowskoi bedrückte und dass er seinem Gastgeber nur widerwillig zuhörte.
    »Trinken Sie noch eine Tasse?«, wandte sie sich an den Hausherrn.
    »Nein, danke«, antwortete er und setzte seinen Vortrag fort. Sie stand auf und wollte gehen; aber der Hausherr hielt sie zurück, umarmte und küsste sie.
    Serpuchowskoi zwang sich beim Anblick der beiden aus Höflichkeit ein Lächeln ab. Doch als der Hausherr aufgestanden war und, seine Geliebte hinausgeleitend, mit ihr Arm in Arm bis an die Portiere ging, veränderte sich jählings der Gesichtsausdruck Nikitas; er stieß einen schweren Seufzer aus, und in seinem aufgedunsenen Gesicht spiegelte sich Verzweiflung. Ja, sogar Hass war ihm anzumerken.
    11
     
    Der Hausherr kam zurück und nahm lächelnd Nikita gegenüber Platz. Eine Weile schwiegen beide.
    »Ja, du sprachst davon, dass du von Wojejkow Pferde gekauft hast«, begann Serpuchowskoi, um überhaupt etwas zu sagen.
    »Ganz recht, den Atlasny, wie schon gesagt. Ich trug mich auch mit der Absicht, von Dubowizki einige Stuten zu kaufen, aber er hat nur noch Schund zurückbehalten.«
    »Er ist auf den Hund gekommen«, bemerkte Serpuchowskoi, brach indessen gleich ab und blickte sich um. Ihm war eingefallen, dass er selbst diesem auf den Hund gekommenen Dubowizki zwanzigtausend Rubel schuldete, und er sagte sich, wenn schon von jemandem behauptet werde, er sei auf den Hund gekommen, dann ganz gewiss von ihm selber. Er sagte nichts mehr.
    Es trat wieder ein längeres Schweigen ein. Der Hausherr ließ sich durch den Kopf gehen, womit er sich wohl noch vor seinem Gast brüsten könnte. Serpuchowskoi überlegte, wie er beweisen könnte, dass er sich nicht als auf den Hund gekommen betrachtete. Doch beiden fiel es schwer, einen Gedanken zu fassen, obwohl sie bemüht waren, sich durch ihre Zigarren anzuregen. Wird es denn nichts zu trinken geben?, dachte Serpuchowskoi. Wir müssen unbedingt etwas trinken, sonst kommt man vor Langeweile um, dachte der Hausherr.
    »Hast du vor, dich lange hier auf dem Gut aufzuhalten?«, fragte Serpuchowskoi.
    »Noch etwa einen Monat. Doch wollen wir jetzt nicht etwas zu Abend

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