Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
Ehe nicht nur keine Einbuße, sondern noch eine Verstärkung erfahren. Doch dann, schon in den ersten Monaten der Schwangerschaft seiner Frau, trat etwas Neues, Unangenehmes und Anstößiges ein, worauf er gar nicht gefasst gewesen war und dem man sich nicht entziehen konnte.
Seine Frau begann ohne jeden Anlass, wie Iwan Iljitsch schien – de gaité de cœur, dachte er im Stillen –, den angenehmen und anständigen Lebensablauf zu stören; ohne den geringsten Grund dafür zu haben, wurde sie eifersüchtig, verlangte von ihm, dass er sie umhegen und umsorgen sollte, fand an allem etwas auszusetzen und machte ihm unangenehme, ausfällige Szenen.
Anfangs hoffte Iwan Iljitsch noch, er könne sich aus dieser unerfreulichen Situation befreien, indem er seine frühere unbekümmerte und anständige Lebensweise, die ihm in seiner Junggesellenzeit über alles Unangenehme hinweggeholfen hatte, fortsetzte; er versuchte, die Launenhaftigkeit seiner Frau zu ignorieren, war bemüht, sich das Leben wieder leicht und angenehm zu gestalten, lud Freunde zum Kartenspiel ein oder fuhr selbst in den Klub oder zu Kollegen. Doch nun wurde seine Frau dermaßen ausfallend gegen ihn, dass er ganz bestürzt war; sie beschimpfte ihn und überhäufte ihn jedes Mal, wenn er sich ihren Forderungen nicht fügte, mit den wüstesten Vorwürfen, womit sie offenbar nicht aufzuhören gedachte, bevor er sich ihr nicht ganz unterordnete, das heißt zu Hause bliebe und ebenso Trübsal bliese wie sie. Er erkannte, dass eine Ehe – zum mindesten die mit seiner Frau – nicht immer dazu beitragen würde, das Leben angenehm und den allgemeinen Anstandsregeln entsprechend zu gestalten, sondern im Gegenteil dabei oftmals störend wirkt und dass es daher notwendig war, sich gegen solche Störungen zu schützen. Und Iwan Iljitsch sann darüber nach, wie er das bewerkstelligen könnte. Das Einzige, was Praskowja Fjodorowna respektierte, war seine dienstliche Tätigkeit, und so nutzte Iwan Iljitsch sein Amt und die sich daraus ergebenden Pflichten zum Kampf gegen seine Frau aus, und er schloss sich in seine eigene, unabhängige Welt ein.
Mit der Geburt des Kindes, den vergeblichen Stillversuchen Praskowja Fjodorownas und den damit verbundenen Misshelligkeiten, mit den teils wirklichen, teils eingebildeten Krankheiten des Kindes und der Mutter, bei denen von Iwan Iljitsch Anteilnahme verlangt wurde, von denen er aber nichts verstand, wurde für ihn das Bedürfnis, sich außerhalb der Familie eine eigene Welt zu schaffen, noch dringender.
Je reizbarer und anspruchsvoller seine Frau wurde, umso mehr verlegte Iwan Iljitsch den Schwerpunkt seines Lebens auf seine dienstliche Tätigkeit. Er fand in ihr immer größere Befriedigung und wurde ehrgeiziger, als er es früher gewesen war.
Sehr bald, nicht später als ein Jahr nach seiner Heirat, war Iwan Iljitsch der festen Überzeugung, dass das Eheleben zwar einige Annehmlichkeiten mit sich bringe, im Wesentlichen jedoch eine sehr komplizierte und belastende Angelegenheit sei, zu der man sich, in gleicher Weise wie zum Dienst, ein ganz bestimmtes Verhältnis ausarbeiten müsse.
Und ein solches Verhältnis zum ehelichen Leben arbeitete sich Iwan Iljitsch nun auch aus. Er verlangte vom Familienleben nur noch jene Bequemlichkeiten, die es ihm ohne weiteres geben konnte: einen gedeckten Tisch, Häuslichkeit, ein Bett und vor allem die äußere Wahrung der von der öffentlichen Meinung vorgezeichneten Anstandsformen. Darüber hinaus suchte er zu Hause lediglich eine geruhsame Behaglichkeit, und wenn er die fand, war er sehr dankbar; stieß er hingegen auf Abwehr und Launenhaftigkeit, zog er sich sofort in seine abgesonderte Welt des Dienstes zurück und fühlte sich dort wohl.
Iwan Iljitsch wurde höheren Orts als tüchtiger Beamter geschätzt und nach drei Jahren zum Staatsanwalt ernannt. Seine neuen Obliegenheiten und deren Wichtigkeit, das Bewusstsein, jedermann vor Gericht stellen und ins Gefängnis bringen zu können, sein öffentliches Auftreten und der Erfolg, den er mit seinen Reden erzielte – all das trug dazu bei, ihm den Dienst noch reizvoller zu machen.
Es wurden weitere Kinder geboren. Praskowja Fjodorowna war immer mürrischer und streitsüchtiger geworden, aber dank der Einstellung, die sich Iwan Iljitsch inzwischen zum häuslichen Leben zu eigen gemacht hatte, prallten ihre Ausfälle an ihm so gut wie spurlos ab.
Nach siebenjährigem Dienst in ein und derselben Stadt wurde Iwan Iljitsch zum
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