Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
fuhren sie ziemlich lange. Bald überquerten sie vom Wind kahl gefegte Winterfruchtfelder, und der Schlitten fuhr mit Gepolter über hartgefrorene Erdklumpen; bald kamen sie über Stoppelfelder von Winter- oder Sommergetreide, wo im Wind hin und her schwankende Wermutszweige und Strohhalme aus dem Schnee ragten; und dann wieder fuhren sie über ebene, überall gleichmäßig mit hohem weißem Schnee bedeckte Felder, auf denen nichts zu sehen war.
Der unaufhörlich fallende Schnee wurde immer wieder von Windstößen aufgewirbelt. Das Pferd, sichtlich erschöpft und vom Schweiß von oben bis unten mit Raureif bedeckt, ging im Schritt. Plötzlich brach es in die Schneedecke ein und geriet in eine von Wasser ausgehöhlte Vertiefung oder in einen Graben. Wassili Andrejitsch wollte es anhalten, doch Nikita rief ihm zu: »Warum anhalten? Sind wir reingeraten in die Patsche, müssen wir auch wieder raus. . . He, mein Lieber, he, mein Guter, he!«, rief er dem Hengst aufmunternd zu und versank, als er dabei aus dem Schlitten sprang, selbst mit den Füßen in der Vertiefung.
Das Pferd zog mit einem starken Ruck an und arbeitete sich auf einen hartgefrorenen Erdhaufen herauf. Man hatte hier offenbar einen Graben ausgeworfen.
»Wo sind wir denn?«, fragte Wassili Andrejitsch.
»Das werden wir noch rauskriegen«, antwortete Nikita. »Fahrt nur weiter, irgendwohin kommen wir schon.«
»Das dort muss doch der Wald von Gorjatschkino sein?«, meinte Wassili Andrejitsch und zeigte auf eine schwarze Linie, die sich in der Ferne vor ihnen über dem Schnee abzeichnete.
»Fahren wir erst mal näher ran, dann werden wir sehn, was das für ein Wald ist«, entgegnete Nikita.
Nikita hatte bemerkt, dass aus der Richtung der sich schwarz abzeichnenden Linie die länglichen verdorrten Blätter von Weiden durch die Luft geflogen kamen, und schloss daraus, dass dort nicht ein Wald, sondern eine menschliche Siedlung war, was er jedoch noch nicht sagen wollte. Und wirklich, sie waren hinterm Graben noch keine zehn Sashen gefahren, als vor ihnen die unverkennbaren Umrisse von Bäumen auftauchten und ein neuer monotoner Laut ertönte. Nikita hatte es richtig erraten: Das war kein Wald, sondern eine Reihe hoher Weiden, an denen sich noch vereinzelte dürre Blätter hielten. Die Weiden hatte man offenbar entlang einem sich an einer Tenne hinziehenden Graben angepflanzt. Als sie sich den monoton rauschenden Weiden weiter genähert hatten, bäumte sich das Pferd plötzlich auf, zog den Schlitten mit einem Ruck auf eine Erhöhung, machte eine Wendung nach links und versank jetzt nicht mehr bis an die Knie in Schnee. Sie waren auf eine Landstraße gekommen.
»Da haben wir nun einen Weg«, sagte Nikita, »nur weiß man nicht, wohin er führt.«
Das Pferd lief indessen, ohne abzuirren, die eingeschneite Straße entlang, und als sie etwa vierzig Sashen zurückgelegt hatten, erblickten sie vor sich die dunklen Umrisse eines Flechtzaunes und dahinter eine Getreidedarre, von deren Dach unaufhörlich der hoch aufgeschichtete Schnee herabgewirbelt wurde. Nachdem sie an der Darre vorüber waren, hinter der der Weg eine Biegung machte, hatten sie den Wind im Rücken und stießen auf eine Schneewehe. Doch weiter vorn sah man eine sich zwischen zwei Häusern hinziehende Gasse, woraus zu schließen war, dass sich die Schneewehe mitten auf der Straße gebildet hatte und überquert werden musste. Sie fuhren also über die Schneewehe hinweg und kamen auch wirklich auf die Dorfstraße. Gleich im ersten Hof wurde die dort auf einer Leine hängende steif gefrorene Wäsche – ein rotes und ein weißes Hemd, eine Hose, Fußlappen und ein Frauenrock – vom Winde wütend hin und her gezerrt. Das weiße Hemd mit seinen herabhängenden Ärmeln wurde vom Wind besonders stark gepeitscht.
»Das muss aber eine faule, wenn nicht im Sterben liegende Frauensperson sein, die nicht mal zum Feiertag ihre Wäsche abgenommen hat«, sagte Nikita beim Anblick der hin und her baumelnden Wäschestücke.
3
Am Anfang der Straße stürmte es noch, hier lag hoher, vom Wind angewehter Schnee, aber weiter zur Mitte des Dorfes zu war es still, warm und behaglich. Vor einem Hoftor bellte ein Hund, und an einem andern Gehöft kam eine Frau, die Jacke über den Kopf gezogen, über die Straße gelaufen und blieb in der Haustür stehen, um die Vorüberfahrenden zu mustern. Von der Mitte des Dorfes schallte der Gesang von Bauernmädchen herüber.
Im Dorf war von dem Wind, dem Schneegestöber
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