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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Frau, bis über den Kopf eingemummt und ganz mit Schnee bedeckt, saß regungslos zusammengekauert auf dem hinteren Sitz.
    »Von wo seid ihr?«, schrie Wassili Andrejitsch hinüber.
    »Aus A . . . skoje!«, war von der Antwort nur zu verstehen.
    »Von wo?«, rief Wassili Andrejitsch noch einmal.
    »Aus Aaa . . .skoje!«, schrie einer der Bauern aus vollem Halse, doch war der Ortsname auch jetzt nicht zu verstehen.
    »Los! Bleib nicht zurück!«, schrie der andere, der mit seiner Rute unentwegt auf den Gaul einschlug.
    »Ihr kommt wohl von einer Feier?«
    »Los, los! Mach schneller, Sjomka! Los!«
    Die Schlitten stießen mit den Seitenflügeln zusammen und wären um ein Haar aneinander hängengeblieben, lösten sich aber wieder, und der Schlitten mit den Bauern blieb nun zurück.
    Der zottige, dickbäuchige und ganz mit Schnee bedeckte kleine Gaul stapfte, unter dem flachen Krummholz schwer atmend, mit seinen kurzen Beinen mühsam durch den hohen Schnee und war offenbar unter Aufgebot seiner letzten Kraft vergebens bemüht, sich den Peitschenhieben zu entziehen, die unaufhörlich auf seinen Rücken niedersausten. Einige Sekunden hielt sich der Kopf des augenscheinlich noch jungen Tieres, an dem die Lippen wie bei einem Fisch in die Breite gezogen, die Nüstern gebläht und die Ohren vor Angst angelegt waren, neben den Schultern Nikitas, dann blieb er immer mehr zurück.
    »Was der Schnaps alles anrichtet«, sagte Nikita. »Quä len den armen Gaul zu Tode. Wahre Asiaten!«
    Eine kurze Weile hörte man noch das Schnaufen des erschöpften Pferdes und die Stimmen der betrunkenen Bauern, doch dann verstummte das Schnaufen, und auch die Stimmen der Bauern verhallten in der Ferne. Und wiederum war weit und breit nichts anderes zu hören als das Pfeifen des Windes und ab und zu ein leises Knirschen der Kufen, wenn der Schlitten über kahl gewehte Stellen fuhr. Die Begegnung mit den Bauern hatte Wassili Andrejitsch aufgemuntert und ermutigt, so dass er gar nicht mehr nach den Absteckpflöcken ausschaute, sondern sich ganz dem Pferd anvertraute und ihm freien Lauf ließ.
    Nikita, der nichts zu tun hatte, war wie immer, wenn er sich in einer solchen Lage befand, eingeschlummert und holte auf diese Weise den vielfach versäumten Schlaf nach. Plötzlich blieb das Pferd mit einem Ruck stehen, so daß Nikita mit der Nase gegen den Schlittenrand stieß und beinahe herausgefallen wäre.
    »Wir fahren ja schon wieder verkehrt«, sagte Wassili Andrejitsch.
    »Wieso?«
    »Es sind keine Pflöcke mehr zu sehn. Wir müssen wieder vom Weg abgeirrt sein.«
    »Sind wir vom Weg abgeirrt, werden wir ihn auch wiederfinden«, antwortete Nikita kurz, stieg aus und stapfte mit seinen nach innen gekehrten Füßen munter über den Schnee, um den Weg zu suchen.
    Er ging lange herum, war zeitweilig gar nicht mehr zu sehen, tauchte wieder auf, verschwand aufs Neue und kehrte schließlich zum Schlitten zurück.
    »Hier gibt es keinen Weg, vielleicht ist er weiter vorn«, sagte er und setzte sich in den Schlitten.
    Es dämmerte schon merklich. Das Schneetreiben war nicht stärker geworden, hatte aber auch nicht nachgelassen.
    »Wenn wir wenigstens noch was von den Bauern hören würden, die fuhren ja denselben Weg«, meinte Wassili Andrejitsch.
    »Na, die müssen sehr weit zurückgeblieben sein, wenn sie uns noch nicht eingeholt haben. Aber vielleicht haben die sich auch verirrt«, sagte Nikita.
    »In welche Richtung sollen wir nun fahren?«, fragte Wassili Andrejitsch.
    »Man muss das Pferd laufen lassen, wie es laufen wird«, antwortete Nikita. »Es bringt uns schon auf den Weg. Gib mir die Zügel!«
    Wassili Andrejitsch übergab ihm die Zügel umso bereitwilliger, als seine Hände selbst in den warmen Handschuhen klamm zu werden begannen.
    Nikita nahm die Zügel, hielt sie jedoch, bemüht, jede Bewegung damit zu vermeiden, nur locker in der Hand und beobachtete stolz das Verhalten seines Lieblings. Der kluge Hengst spitzte bald das eine, bald das andere Ohr, drehte es mal nach vorn, mal zur Seite und beschrieb allmählich einen Bogen.
    »Jetzt nur nicht sprechen! Sieh mal an, was er macht«, flüsterte Nikita. »Ja, geh nur, geh nur, du weißt Bescheid! Ja, so, so ist’s recht.«
    Sie hatten den Wind jetzt im Rücken, so dass sie die Kälte weniger spürten.
    »Ja, der hat Verstand!«, fuhr Nikita in seiner Freude über den Hengst fort. »Der kleine Kirgise ist kräftig, aber dumm. Sieh mal hin, was der da mit den Ohren anstellt! Der braucht keinen

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