Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
werden, dass die Pferde ihr Futter bekommen, wenn ich nicht da bin«, fügte er, sich zur Hausfrau umwendend, hinzu.
»Ich werde dafür sorgen, Nikituschka, ich werde Semjon beauftragen«, sagte die Hausfrau.
»Nun, was ist, Wassili Andrejitsch, soll ich mitkommen?«, fragte Nikita erwartungsvoll.
»Na, da muss ich meiner Alten wohl den Gefallen tun. Aber wenn du mitkommst, dann geh erst mal und zieh dir einen wärmeren Staatsrock an«, erwiderte Wassili Andrejitsch, nun wieder lächelnd, und wies, ein Auge zukneifend, mit dem Kopf auf Nikitas schon arg mitgenommenen, unter den Achseln und auf dem Rücken zerrissenen, am Saum zerfransten und von oben bis unten verschmutzten und verfilzten Halbpelz.
»He, mein Guter, komm doch, halt mal das Pferd!«, rief Nikita über den Hof dem Mann der Köchin zu.
»Ich, ich kann es halten!«, sagte mit dünner Stimme der Junge und zog auch schon die rotgefrorenen kleinen Hände aus den Taschen, um nach dem kalten Lederzügel zu greifen.
»Aber sieh zu, dass du nicht zu lange brauchst, um dich in Staat zu werfen, mach schnell!«, rief Wassili Andrejitsch mit einem spöttischen Lächeln Nikita nach.
»Ich bin im Nu fertig, Väterchen Wassili Andrejitsch!«, rief Nikita zurück, während er mit seinen nach innen gestellten Füßen in den geflickten, abgetragenen Filzstiefeln hurtig über den Hof auf das Gesindehaus zulief.
»Schnell, Arinuschka, gib mir meinen Mantel vom Ofen – ich muss mit dem Herrn mitfahren!«, rief er, als er in die Stube gestürzt kam, und nahm seinen Gürtel von der Wand.
Die Köchin, die nach dem Essen geschlafen hatte und gerade dabei war, für ihren Mann den Samowar aufzusetzen, empfing Nikita gutgelaunt, und angesteckt von seiner Hast, entfaltete sie dieselbe Rührigkeit wie er, holte flink den alten, zerschlissenen Tuchmantel vom Ofen, der dort zum Trocknen aufgehängt war, schüttelte den Staub ab und strich ihn glatt.
»Na, jetzt wirst du mehr Platz haben, um mit deinem Mann zu feiern«, bemerkte Nikita, der aus gutmütiger Höflichkeit immer etwas sagte, wenn er mit jemandem unter vier Augen war.
Als er sich nun den schmalen, zerschlissenen Gürtel umband, zog er den sowieso hageren Leib ein und strengte sich an, den Gürtel über der Pelzjacke so eng wie irgend möglich zusammenzubekommen.
»Ja, so ist’s gut«, sagte er, sich jetzt nicht mehr an die Köchin, sondern direkt an den Gürtel wendend, und steckte dessen Enden unter den Knoten. »So wirst du dich nicht lösen.« Dann hob und senkte er die Schultern, um Bewegungsfreiheit für die Arme zu haben, zog über die Pelzjacke den Mantel, spannte wieder den Rücken, damit die Arme nicht eingeengt waren, schob unter den Achseln die Ärmel hoch und nahm die Fausthandschuhe vom Wandbrett herunter. »So, fertig!«
»Du solltest anderes Schuhzeug anziehn, Stepanytsch«, sagte die Köchin. »Deine Stiefel sind ganz zerschlissen.«
Nikita blieb stehen und machte ein Gesicht, als sei ihm etwas eingefallen.
»Ja, müsste wohl… Na, es wird auch so gehn, es ist nicht weit!«
Und er lief auf den Hof hinaus.
»Wirst du nicht frieren, Nikituschka?«, fragte die Hausfrau, als er am Schlitten anlangte.
»Woher denn frieren, mir ist ganz warm«, antwortete Nikita. Dann ordnete er am vorderen Ende des Schlittens das Stroh, mit dem er sich die Füße zudecken wollte, und steckte die für das gefügige Pferd unnötige Peitsche darunter.
Wassili Andrejitsch, der bereits im Schlitten saß und mit dem von zwei Pelzen aufgebauschten Rücken fast den ganzen gewölbten hinteren Teil des Schlittens ausfüllte, griff sofort nach dem Zügel und trieb das Pferd an. Nikita schwang sich von links auf den schon fahrenden Schlitten, setzte sich schräg auf den Bock und ließ ein Bein über den Schlittenrand hängen.
2
Der brave Hengst zog den mit den Kufen leicht knirschenden Schlitten in flottem Lauf über die innerhalb der Ortschaft glattgefahrene und hartgefrorene Straße.
»Was machst du denn da? Gib mal die Peitsche her, Nikita!«, rief Wassili Andrejitsch, sichtlich gerührt über seinen »Kronprinzen«, der sich an der Rückseite des Schlittens festgeklammert hatte. »Ich werde dir gleich! Lauf zu Mama zurück, du Strolch!«
Der Junge sprang ab. Muchorty beschleunigte seinen Zeltergang und ging mit einem leisen Ruck in Trab über.
Die Ortschaft Kresty, in der Wassili Andrejitschs Besitztum lag, bestand aus sechs Häusern. Sobald sie die am Rande des Dorfes liegende Schmiede passiert hatten,
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