Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)
und der Kälte weniger zu merken.
»Das ist ja Grischkino!«, sagte Wassili Andrejitsch.
»Ja, das ist es«, bestätigte Nikita.
Und tatsächlich, es war Grischkino. Daraus ergab sich, dass sie nach links abgeirrt waren und einen Umweg von acht Werst gemacht, sich aber dennoch ihrem Ziel genähert hatten. Von Grischkino bis Gorjatschkino waren es dann nur noch fünf Werst.
Im Dorf begegnete ihnen ein hochgewachsener Mann, der mitten auf der Straße ging.
»Wer kommt da gefahren?«, rief der Mann, packte das Pferd am Zügel, tastete sich, sobald er Wassili Andrejitsch erkannte, an der Deichselstange bis zum Schlitten heran und schwang sich auf den Bock.
Es war der Wassili Andrejitsch bekannte Bauer Issai, der im Ruf stand, der verwegenste Pferdedieb des ganzen Kreises zu sein.
»Ah! Wassili Andrejitsch! Wohin des Weges?«, rief Issai und hauchte dabei Nikita seinen nach Schnaps riechenden Atem ins Gesicht.
»Wir wollten nach Gorjatschkino.«
»Na, da habt ihr aber einen schönen Umweg gemacht! Ihr musstet über Malachowo fahren.«
»Das mussten wir wohl, sind aber abgeirrt«, sagte Wassili Andrejitsch und hielt das Pferd an.
»Nicht übel, der Gaul«, bemerkte Issai, während er das Pferd musterte und ihm den gelockerten Knoten am buschigen Schweif mit geübtem Griff bis zur Rübe hinaufschob. »Werdet ihr hier übernachten?«
»Nein, guter Freund, wir müssen unbedingt weiter.«
»Die Geschäfte drängen wohl. Und wer ist denn das da? Ach, Nikita Stepanytsch!«
»Wer denn sonst?«, erwiderte Nikita. »Nur fürchte ich, mein Lieber, dass wir uns womöglich wieder verirren.«
»Wie kann man sich verirren! Du wendest, fährst die Straße hinunter, und wenn du aus dem Dorf heraus bist, immer weiter geradeaus. Den Weg links lass liegen. Dann kommst du bald auf die große Landstraße und biegst nach rechts ab.«
»Was für ein Weg ist denn das, von der Landstraße?«, fragte Nikita. »Ein Sommer- oder ein Winterweg?«
»Ein Winterweg. Gleich nachdem du auf die Landstraße gekommen bist, wirst du niedriges Gebüsch sehn. Gegenüber dem Gebüsch steht ein hoher Eichenpflock, an dem sich noch dürres Laub hält. Dort musst du abbiegen.«
Wassili Andrejitsch wendete den Schlitten und fuhr die
Dorfstraße zurück.
»Ihr solltet lieber hier übernachten!«, rief Issai ihnen noch nach.
Aber Wassili Andrejitsch beachtete seinen Zuruf nicht und trieb das Pferd an. Die fünf Werst ebenen Weges, von denen zwei durch Wald führten, glaubte er ohne Schwierigkeiten zurücklegen zu können, umso mehr, als der Wind nachzulassen schien und es auch nicht mehr schneite.
Als sie ans Ende der glattgefahrenen, stellenweise mit frischem Mist bedeckten Dorfstraße gekommen und an dem Hof vorbeigefahren waren, wo die Wäsche hing und das weiße Hemd sich jetzt nur noch mit einem der steif gefrorenen Ärmel an der Leine hielt, stießen sie abermals auf die im Wind schauerlich rauschenden Weiden und befanden sich wieder auf freiem Feld. Hier zeigte sich, dass das Schneetreiben keineswegs nachgelassen, sondern sich eher noch verstärkt hatte. Der ganze Weg war verweht, und nur an den Absteckpflöcken konnte man sehen, wo er sich hinzog. Aber auch die Absteckpflöcke waren nur schwer zu erkennen, weil sie jetzt gegen den Wind fahren mussten.
Wassili Andrejitsch kniff die Augen zusammen, senkte den Kopf und schaute nach den Absteckpflöcken aus, verließ sich jedoch hauptsächlich auf das Pferd und ließ ihm freien Lauf. Das Pferd folgte denn auch, ohne abzuirren, den vielfachen Windungen des Weges, den es unter den Hufen spürte, und trotz des stärker werdenden Schneefalls und Windes wurden immer wieder bald auf der einen, bald auf der andern Seite Absteckpflöcke sichtbar.
Als sie so etwa zehn Minuten gefahren waren, tauchte unmittelbar vor dem Pferd etwas Schwarzes auf, das sich im Schleier des schräg fallenden Schnees bewegte. Es war ein anderer, in gleicher Richtung fahrender Schlitten. Muchorty hatte ihn eingeholt und stieß mit den Hufen gegen die Rückwand des vor ihm fahrenden Schlittens.
»He, fahr vorbei, im Bogen herum!«, wurde aus dem fremden Schlitten gerufen.
Wassili Andrejitsch überholte den Schlitten. In ihm saßen drei Bauern und eine Frau. Sie kamen offenbar von einer Feier. Der eine Bauer schlug mit einer Weidenrute unaufhörlich auf die schneebedeckten Flanken des kleinen Gaules ein. Die beiden andern, die vorn im Schlitten saßen, fuchtelten mit den Händen und schrien etwas Unverständliches. Die
Weitere Kostenlose Bücher