Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Weg wurde wenig benutzt und war gar nicht oder nur mit verkümmertem und von Schnee überwehtem Buschwerk abgesteckt.
    Nikita überlegte einen Augenblick.
    »Über Karamyschewo ist es wohl weiter, aber der Weg ist besser eingefahren«, antwortete er dann.
    »Ja, aber geradeaus brauchen wir auch nur in dem kleinen Tal aufzupassen, dass wir nicht vom Weg abirren, denn nachher durch den Wald hat man glatte Fahrt«, sagte Wassili Andrejitsch, der lieber den kürzeren Weg nehmen wollte.
    »Sie können bestimmen«, sagte Nikita und ließ wieder den Kragen los.
    Wassili Andrejitsch fuhr also geradeaus und bog dann, nachdem er etwa eine halbe Werst zurückgelegt hatte, neben einer im Winde hin und her schwankenden hohen Eichenstange, an der sich noch vereinzelte dürre Blätter hielten, nach links ab.
    Hinter der Biegung kam der Wind fast unmittelbar von vorn. Es begann zu schneien. Wassili Andrejitsch kutschierte, blies die Wangen auf und stieß den Atem durch den Schnurrbart aus. Nikita war eingeschlummert.
    So fuhren sie ungefähr zehn Minuten, ohne miteinander zu sprechen. Plötzlich sagte Wassili Andrejitsch etwas.
    »Was ist?«, fragte Nikita und schlug die Augen auf.
    Wassili Andrejitsch antwortete nicht, sondern beugte sich nur über den Schlittenrand und sah sich nach allen Seiten um. Das Pferd, dessen Fell sich vom Schweiß am Hals und an den Schulterblättern gekräuselt hatte, ging im Schritt.
    »Was ist denn?«, fragte Nikita noch einmal.
    »Was ist, was ist!«, äffte ihn Wassili Andrejitsch gereizt nach. »Keine Pflöcke sind zu sehen! Wir müssen vom Weg abgeirrt sein!«
    »Dann halte doch, ich werd mich umsehn«, sagte Nikita, schwang sich mit einem Satz vom Bock, nahm die Peitsche aus dem Stroh und ging links, wo er gesessen hatte, ins Feld hinein.
    Der Schnee lag in diesem Jahr nicht sehr hoch, so dass man überall durchkommen konnte, aber dennoch brach Nikita stellenweise bis an die Knie in die Schneedecke ein und bekam nasse Füße. Er ging kreuz und quer über das Feld, tastete mit den Stiefeln und dem Peitschenstiel den Boden ab, konnte den Weg jedoch nicht finden.
    »Na, wie ist’s?«, fragte Wassili Andrejitsch, als Nikita wieder zum Schlitten zurückkehrte.
    »Auf dieser Seite ist er nicht. Ich muss mal auf der andern sehen.«
    »Da vorne zeichnet sich was Schwarzes ab, geh mal hin und sieh dort nach«, sagte Wassili Andrejitsch.
    Nikita ging zu der von Wassili Andrejitsch bezeichneten Stelle, an der man etwas Schwarzes sah: Es war Erde, die von den entblößten, mit Wintersaat bestellten Feldern herübergeweht worden war und auf dem Schnee eine schwarze Schicht bildete. Nachdem Nikita dann auch noch auf der rechten Seite vergebens nach dem Weg gesucht hatte, kam er zurück, klopfte sich den Schnee ab, schüttelte ihn aus den Stiefeln und setzte sich wieder in den Schlitten.
    »Wir müssen uns rechts halten«, sagte er mit Bestimmtheit. »Vorher blies mir der Wind gegen die linke Seite, und jetzt kriege ich ihn direkt ins Gesicht. Fahr nach rechts!«, sagte er nochmals in entschiedenem Ton.
    Wassili Andrejitsch befolgte Nikitas Anweisung und bog nach rechts ab. In dieser Richtung fuhren sie eine längere Strecke, aber ein Weg war immer noch nicht zu sehen. Der Wind hielt mit unverminderter Heftigkeit an, und es fiel weiterhin feiner Schnee.
    »Na, da sind wir aber, scheint es, tüchtig vom Weg abgekommen, Wassili Andrejitsch«, sagte Nikita plötzlich mit einer gewissen Genugtuung. »Sehen Sie das da?«, fragte er und zeigte auf schwarzes Kartoffelkraut, das unter dem Schnee vorschimmerte.
    Wassili Andrejitsch hielt das schon in Schweiß gebadete und schwer atmende Pferd an. »Na und?«, fragte er.
    »Das heißt, dass wir auf dem Sacharowschen Acker sind. Wir haben uns ganz schön verfahren.«
    »Du spinnst!«, rief Wassili Andrejitsch.
    »Nein, ich spinne nicht, Wassili Andrejitsch, es stimmt, was ich sage«, erwiderte Nikita. »Auch am Holpern des Schlittens merkt man, dass wir über einen Kartoffelacker fahren; und dort liegen ja auch Haufen von zusammengeharktem Kraut. Das ist ein Acker von der Sacharowschen Brennerei.«
    »Wie ist es nur möglich, dass wir so weit abgeirrt sind!«, sagte Wassili Andrejitsch. »Was machen wir nun?«
    »Wir müssen geradeaus fahren, weiter nichts«, erklärte Nikita. »Irgendwo kommen wir schon heraus – wenn nicht in Sacharowka, dann auf dem herrschaftlichen Gutshof.«
    Wassili Andrejitsch tat, wie Nikita ihn geheißen, und lenkte das Pferd geradeaus. So