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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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hätte schön und gut sein können, wenn nicht das Vieh anderer Bauern dauernd in seine Felder und Wiesen eingebrochen wäre. Pachom machte den Bauern Vorhaltungen in Güte, doch das half nichts. Bald hatten fremde Hirten Kühe auf seine Wiesen laufen lassen, bald waren Pferde aus der Nachthürde in seine Felder eingedrungen. Eine Zeitlang hatte Pachom die Tiere nur zurückgetrieben, ein Auge zugedrückt und nichts gegen die Besitzer unternommen; doch dann riss ihm die Geduld, und er entschloss sich, Klagen beim Gemeindegericht einzureichen. Und wenn er auch wusste, dass nur die Enge daran schuld war und dass die Bauern ihm nicht vorsätzlich Schaden zufügten, so sagte er sich doch: Das darf man nicht einreißen lassen, sonst wird mir von ihrem Vieh schließlich alles verwüstet. Sie müssen durch Strafen abgeschreckt werden.
    Er erreichte denn auch wirklich, dass das Gericht mehrmals abschreckende Urteile fällte und dass dieser und jener bestraft wurde. Hierdurch entstand unter den benachbarten Bauern eine feindselige Stimmung gegen Pachom, und es kam vor, dass nunmehr der eine oder andere sein Vieh auch absichtlich auf Pachoms Wiesen trieb. Eines Nachts war jemand in seinen Wald eingedrungen und hatte ein Dutzend junger Linden gefällt, um Bast daraus anzufertigen. Als Pachom tags darauf durch den Wald fuhr, fiel ihm auf, dass zwischen den Bäumen etwas Weißes schimmerte. Näher herangekommen, sah er, dass dort die abgeschälten Stämme der jungen Linden herumlagen und nur noch die Stümpfe aus der Erde ragten. Wenn der Halunke wenigstens nur die äußersten der dichtstehenden Bäumchen gefällt und eins übriggelassen hätte! Aber nein – er hat alle der Reihe nach abgesäbelt! Pachom wurde von Wut gepackt. Ach, dachte er, wenn ich bloß herausbekommen könnte, wer das gemacht hat – dem würde ich’s heimzahlen! Er überlegte lange hin und her, wem so etwas zuzutrauen war, und beschloss dann: Das kann nur Sjomka gewesen sein! Er ging auf Sjomkas Hof, um dort nachzusehen, fand aber nichts, und man beschimpfte sich nur gegenseitig. Das bestärkte Pachom noch mehr in seinem Verdacht gegen Semjon. Er verklagte ihn. Beide wurden vor Gericht geladen, und nach langem Hin und Her wurde Sjomka aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Das steigerte Pachoms Wut noch, und er beschimpfte sowohl den Gemeindevorsteher als auch die Richter.
    »Ihr nehmt Diebe in Schutz«, sagte er. »Wenn ihr selbst rechtschaffen leben würdet, dann wäre es nicht möglich, dass ihr Diebe freisprecht.«
    So überwarf sich Pachom mit den Richtern ebenso wie mit seinen Nachbarn. Man drohte ihm sogar, sein Gehöft in Brand zu stecken. Land besaß Pachom jetzt reichlich, aber dennoch fühlte er sich in der Gemeinde beengt.
    Zu jener Zeit kam das Gerücht in Umlauf, dass viele Bauern in andere Gegenden übersiedelten. Nun, dachte Pachom, ich selbst hab ja keinen Grund, meine Wirtschaft hier aufzugeben, aber wenn welche von den benachbarten Bauern fortziehen würden, hätten wir es geräumiger. Ich würde ihnen ihr Land abkaufen und meins damit ringsum erweitern, dann könnte man besser wirtschaften. Denn so ist alles zu eng …
    Eines Abends, als Pachom zu Hause war, kehrte ein vorüberwandernder Bauer bei ihm ein. Pachom und seine Frau behielten ihn zum Übernachten da, bewirteten ihn, kamen mit ihm ins Gespräch und fragten, woher er des Weges komme. Der Bauer antwortete, dass er von unten her, aus dem Wolgagebiet, komme, wo er gearbeitet habe. Ein Wort gab das andere, und der Bauer erzählte davon, wie viele Leute sich jetzt in jener Gegend neu ansiedelten. Auch Bauern aus seinem Dorf hätten sich dort schon niedergelassen und in die Genossenschaft eintragen lassen, worauf man jeder Familie pro Kopf zehn Dessjatinen Nutzungsland zugeteilt habe.
    »Und der Boden ist so gut«, erzählte er, »dass der Roggen – kaum hat man ihn gesät – schon so hoch und dicht steht, dass ein Pferd drin untertauchen kann und fünf Handvoll Ähren schon eine Garbe abgeben. Ein Bauer ist dort«, fuhr er fort, »der kam ganz arm hin, nur mit dem, was er am Leibe hatte, und jetzt stehen schon sechs Pferde und zwei Kühe in seinem Stall.«
    Pachoms Blut kam in Wallung. Warum, dachte er, soll ich mich hier in der Enge abplagen, wenn man anderswo besser leben kann? Ich werde mein Land hier und den Hof verkaufen, und dann baue ich mir für das Geld dort ein Haus und richte alles für die Wirtschaft ein. Hier, in dieser Enge, ist es ja doch kein Leben. Nur muss ich

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