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Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition)

Titel: Die schönsten Erzählungen (Die schönsten Erzählungen / Geschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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zugehen. Er wandte das Gesicht in Richtung Sonne, reckte die Glieder und wartete nur noch, dass die Sonne über dem Horizont auftauchen sollte. Ich will keinen Augenblick unnötig verlieren, dachte er. Außerdem geht es sich in der Morgenfrische leichter. – Sowie die ersten Sonnenstrahlen über dem Horizont aufleuchteten, warf sich Pachom die Schippe über die Schulter und trat den Weg in die Steppe an.
    Pachom ging weder langsam noch zu schnell. Nachdem er etwa eine Werst gegangen war, blieb er stehen, grub eine kleine Grube und schichtete ein paar Rasenstücke auf, um seinen Weg besser zu kennzeichnen. Dann ging er weiter. Beim Gehen kam er allmählich in Schwung, er schritt jetzt etwas schneller aus. Nachdem er nochmals ein Stück gegangen war, grub er wieder ein Loch.
    Pachom warf einen Blick zurück. Von der Sonne beschienen, sah man deutlich den Schichan, die auf ihm stehenden Menschen und die glänzenden Reifen der Wagenräder. Pachom schätzte, bis jetzt ungefähr fünf Werst hinter sich gebracht zu haben. Ihm war warm geworden, er zog sein Wams aus, warf es sich über die Schulter und setzte seinen Weg fort. Er legte nochmals fünf Werst zurück. Es wurde immer wärmer. Pachom blickte zur Sonne hinauf – es war schon Frühstückszeit.
    Ein Viertel vom Tage ist vorbei, dachte Pachom, aber drei Viertel hab ich noch vor mir, ich brauche noch nicht abzubiegen. Ich will mir nur die Stiefel ausziehen … Er setzte sich, zog die Stiefel aus, befestigte sie am Gürtel und ging weiter. Er kam jetzt besser vorwärts. Nun gehe ich noch einmal fünf Werst, dachte er, und biege dann allmählich nach links ab. Hier ist der Boden besonders gut, es wäre schade, auf dieses Stück zu verzichten. Je weiter ich komme, desto besser wird das Land. Er ging weiter geradeaus. Nach einer Weile warf er wieder einen Blick zurück. Der Schichan war jetzt kaum noch zu sehen, die Menschen zeichneten sich auf ihm wie Ameisen ab, und irgendetwas glitzerte dort schwach.
    Nun, dachte Pachom, an dieser Seite bin ich genug entlanggegangen, ich muss jetzt abbiegen. Auch bin ich erhitzt und habe Durst. Er blieb stehen, grub eine etwas größere Grube, schichtete Rasenstücke auf, löste die Flasche vom Gürtel, trank sich satt und bog dann scharf nach links ab. Hier war der Boden mit hohem Gras bewachsen, das Gehen strengte an, und die Hitze nahm zu.
    Pachom wurde müde. Er warf wieder einen Blick auf die Sonne und sah, dass sie schon hoch im Zenit stand. Na, dachte er, jetzt muss ich ein wenig ausruhen. Er setzte sich, aß tüchtig Brot und trank Wasser dazu, legte sich jedoch nicht hin. Wenn ich mich ausstrecke, dachte er, schlafe ich womöglich noch ein. Er blieb noch eine Weile sitzen und setzte dann seinen Weg fort. Zunächst ging es sich leichter. Nach dem Essen fühlte er sich gestärkt. Doch es wurde immer heißer, und zudem fielen ihm vor Müdigkeit immer wieder die Augen zu. Allein er ging standhaft weiter und dachte: Eine Stunde sich quälen bringt Gewinn fürs ganze Leben!
    Nachdem er auch auf dieser Seite ein gehöriges Stück zurückgelegt hatte und schon nach links abbiegen wollte, sah er, dass sich vor ihm eine sumpfige Niederung erstreckte – und die liegenzulassen wäre doch zu schade gewesen. Das ist guter Boden für Flachs, dachte Pachom und ging weiter geradeaus. Er ging um die Niederung herum, grub hinter ihr wieder eine kleine Grube und bog nun zum zweiten Mal ab. Dann blickte er zum Schichan hinüber. Bei der Hitze war Dunst aufgestiegen, die Luft zitterte, und durch den Dunstschleier waren die Menschen nur ganz undeutlich zu sehen – wohl fünfzehn Werst waren es bis dorthin. Nun, dachte Pachom, bis jetzt habe ich sehr weit ausgeholt, diese Seite muss ich abkürzen. Und er begann nun mit der dritten Seite und beschleunigte seine Schritte. Nach einer Weile blickte er wieder auf die Sonne: Sie begann bereits zu sinken, und dabei hatte er auf der dritten Seite erst knappe zwei Werst zurückgelegt. Und bis zum Schichan schienen es immer noch fünfzehn Werst zu sein. Nein, dachte Pachom, wenn es auch ein schiefes Grundstück werden wird, die letzte Ecke muss ich abschneiden, um rechtzeitig hinzukommen. Ich hab mir ja ohnedies schon ein tüchtiges Stück Land gesichert… Und Pachom grub in aller Eile eine Grube und bog in gerader Richtung auf den Schichan ab.
    9
     
    So ging denn Pachom geradeswegs auf den Schichan zu. Das Gehen fiel ihm jetzt schon sehr schwer: Er schwitzte, seine bloßen Füße waren zerschrammt und

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