Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
sagte er:
„Wen hat denn der Schinder vor meiner Tür?“
Da trat der Kaiser Joseph ein.
„Oh“, sagte der Koch, „Eure Majestät, ich habe die Ehre! Vor meiner Tür stehen alle Viertelstunden die Bettelleute. Was wünschen Eure Majestät von mir?“
„Prior, ich hab’s dir ja schon gesagt.“
„Ja, gesagt vielleicht, aber ich weiß nichts davon!“, sagte der Koch.
„Wie viele Sterne stehen am Himmel und wie viele Haare hat ein Schimmel?“
Da konterte der Koch frei heraus: „So viele Sterne am Himmel stehen, so viele Haare hat der Schimmel.“
„Wie weit sind Glück und Unglück auseinander?“
„Nicht mehr als eine halbe Stunde.“
„Ja, wieso denn das?“, fragte der Kaiser verwundert.
„Vor einer halben Stunde noch war ich Koch – und jetzt bin ich Prior.“
„Bravo!“, der Kaiser klatschte in die Hände, „du bleibst Prior, und jener muss Koch bleiben.“
Kaiser Maximilian in der Martinswand
Von Jugend an liebte der spätere Kaiser Maximilian I. die Jagd, vor allem die Gamsjagd. An der Landstraße von Augsburg nach Innsbruck, die über den Zirler Berg führt, steht ein immens hoher Felsen. Dieser Felsen ragt bis in die Wolken hinauf und ist sehr steil und nur schwer zugänglich. Benannt ist diese steile Wand nach dem darunter liegenden St.-Martins-Kirchlein, in früheren Zeiten sollen sich in diesem Gebiet besonders viele Gämsen aufgehalten haben.
An einem Sommermorgen, zeitig in der Früh noch vor Sonnenaufgang, ging nun Kaiser Maximilian auf die Gamsjagd und stieg auf die Martinswand. Nachdem er schon eine gute Stunde gegangen war, wurde das Gelände immer steiler und unwegsamer, aber das war Maximilian gerade recht, denn für ihn gehörte das zu einer anspruchsvollen Jagd dazu. Nun sah er sie auch schon, die herrlichen Gämsen, mit ihren prächtigen Hörnern, den „Krucken“, und ihrem kleinen Stummelschwänzchen. Immer weiter folgte er ihnen nach, aber noch war nicht der richtige Moment gekommen, um die Armbrust anzulegen, immer höher zogen sie hinauf, ganz mühelos stiegen sie den blanken Fels hinauf, die „Schalen“ ihrer Hufe schienen sich vollkommen dem Felsen anzupassen. Fasziniert von ihrer Kletterkunst, vergaß Maximilian im wahrsten Sinne des Wortes Zeit und Raum, und erst als ihn sein trockener Mund daran erinnerte, dass er Durst hatte, bemerkte er, wo er sich eigentlich befand. Er stand auf einem kleinen Podest mitten in der steilen Felswand und sah keinen Steig mehr. Wo er sich auch hinwandte, hatte er den Tod vor Augen. Wenn er nach oben schaute, da sah er über sich drohende, überhängende Felsen, welche beim Versuch, sie zu besteigen, abbrechen und zu seinem Grabstein werden konnten. Wenn er nach unter sah, erschreckte ihn eine grausame Tiefe von mehr als zweihundert Metern, die ihm ebenfalls sein Grab zeigte. Und wenn er sich nach links und rechts umschaute, da sah er sich vom härtesten Felsen umgeben, den selbst alle Steinbrecher mit ihrem vielfältigen Werkzeug nicht im Laufe eines Monats hätten bearbeiten können, um ihm einen Abstieg zu ermöglichen.
„Nun, das war’s wohl“, sagte der jugendliche Maximilian zu sich und nahm erst mal einen Schluck Wein aus seinem Trinkbeutel.
Als er ein wenig verschnauft und sich an seine missliche Lage ein bisschen gewöhnt hatte, konnte er in der Tiefe unter ihm seine Hofdiener winzig klein erkennen, die ihm versuchten, guten Mut zuzurufen.
Nach zwei Tagen und zwei Nächten, in denen er sich unzählige Male nach Hilfe umgeblickt hatte, ergab er sich seinem Schicksal und rechnete mit dem Tod. Doch wollte er diesem nicht ohne die heiligen Sterbesakramente begegnen oder sich wenigstens für den Segen des Priesters bereiten. So rief er, so stark er konnte, hinunter und befahl den Seinigen, dass man die Priester mit dem Heiligsten Sakrament kommen lasse und sie ihm dasselbe zeigen sollten, sodass er sich im Gebete darauf vorbereiten könne und allein sein Geist die allerheiligste Speise der Unsterblichkeit aufnehmen werde.
Inzwischen hatte sich die Nachricht über die missliche Lage des Thronfolgers im ganzen Land verbreitet. Sämtliche Kirchenglocken läuteten zum Gebet, um die Rettung durch die göttliche Allmacht zu erflehen.
Am dritten Tag in der Martinswand, als Maximilian, von Hunger und Durst gepeinigt, den erlösenden Tod erwartete, hörte er in der Nähe ein Geräusch. Und als er sich wie schon so oft zur Seite gewandt hatte, sah er einen Burschen in Bauernkleidern daherkriechen. Er reichte Maximilian
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