Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
die Hand und sprach:
„Seid getrost, gnädiger Herr, Gott lebt noch, der euch retten kann und will, folget mir und fürchtet euch nicht, ich will euch dem Tod entführen.“
Maximilian nahm die helfende Hand des Burschen und ließ sich von ihm führen. Wie aus dem Nichts waren sie plötzlich da, die kleinen Felsnischen und -vorsprünge, die ihm festen Halt boten, und bald waren sie auf dem festen Steig angelangt. Hier setzte er sich erst mal auf einen Stein und wie er sich zu seinem Retter umwandte, war nichts mehr von ihm zu sehen, dafür kamen ihm aber schon Diener mit frischem Quellwasser, kräftigendem Wein und guten Speisen entgegen. Als er wieder in seiner Hofburg und zu Kräften gekommen war, gab es ein großes Dankesfest, von dem wundersamen Burschen aber, der zu seinem Retter wurde, gab es kein Lebenszeichen. Vielfach wurde vermutet, dass es ein Engel Gottes gewesen war, der den Kaisersohn aus der Martinswand gerettet hatte.
Als Erinnerung an das Geschehene ließ später Kaiser Maximilian I. eine Höhle in die Wand hauen, da, wo er die Zeit über gestanden hatte. Dort hinein ließ er zum Gedächtnis an die göttliche Gnadenhilfe ein hölzernes Kruzifix, mit einer Höhe von etwa 40 Schuh, sowie ein Bildnis der Muttergottes und des heiligen Johannes aufstellen.
Die Sage vom Schnürwirt
Es war der 26. September 1814, als der Wirt Jakob Deisinger und seine Ehefrau zusammen in ihrem Gasthof „Zum Schwarzen Rössl“ in Lambach beisammensaßen. Sie waren dabei ihre trostlose Lage zu besprechen, in die sie durch die Franzosenkriege geraten waren. Durch die hohen Kriegslasten, die zu leisten waren, und weil erst vor kurzer Zeit ihr Haus abgebrannt war, standen sie fast vor dem Nichts. Am nächsten Tag war ihre Schuld von 800 Gulden fällig, zahlten sie diese nicht, sollte gepfändet werden.
Mit einem Mal hörten sie die lustigen Weisen eines Kuriers. Der Wirt trat auf die Straße hinaus und sah eine mit sechs Schimmeln bespannte Postkutsche, der noch dazu einige Zweispänner folgten. Alles hielt vor seinem Haus an.
„Wir sind gerettet, wir sind gerettet! Dem Herrn sei Lob und Dank!“, rief er jauchzend seiner Ehefrau zu.
Aus der Kutsche stiegen, es war schon an dem Wappen zu erkennen, der König und die Königin von Bayern samt Gefolge. Nun wurde es im Gasthof lebendig, alle Bediensteten sprangen im Eilschritt auf ihre Arbeitsplätze, Zimmer waren herzurichten, Speisen und Getränke aufzutragen. Jeder war sich dessen bewusst, dass mit diesem Gast der Betrieb vielleicht vor dem Ruin gerettet werden könnte.
Am nächsten Tag präsentierte der Wirt auf Verlangen des Königs die Rechnung, die genau 800 Gulden ausmachte. Der Reisemarschall überreichte sie dem König mit roten Flecken im Gesicht und betonte, dass sie ungebührlich hoch sei. Der König aber sagte:
„Wir sind halt geschnürt worden – bezahle ihm die verlangte Summe!“
Das war die Rettung für den Wirt, denn wenige Stunden später konnte er die Pfändungssumme begleichen.
Am 8. April 1815 kam der König ein weiteres Mal nach Lambach. Wieder hielten die Kutschen vor dem schon bekannten Wirtshaus, doch der Reisemarschall fragte diesmal, ob Seine Majestät nicht woanders einzukehren gedenke.
„Nein, bleiben wir beim Schnürwirt“, entschied der König.
Am Morgen darauf wurde wieder nach der Rechnung gefragt. Doch dieses Mal erklärte der Wirt, dass er von Seiner Majestät nichts verlangen möchte, da er sich sehr glücklich schätzte, dass er ihm wieder die hohe Ehre erwiesen habe, bei ihm zu übernachten.
Dem König wurde die Nachricht überbracht und dieser ließ den Wirt sogleich zu sich rufen. Der Wirt stand nun vor dem Herrscher, beugte sein Knie und sprach:
„Eure Majestät! Bitte untertänigst wegen der zu hohen Rechnung vom Vorjahr um Vergebung, denn ich war in großer Not. Die Nächtigung war daher so unverschämt hoch angesetzt, da ich so eine Pfändung verhindern konnte.“
Der König schmunzelte und entgegnete milde:
„Mein lieber Schnürwirt! In Anbetracht deiner damaligen misslichen Lage bin ich wohl bereit, dir zu verzeihen. Aber dein Anerbieten, mich diesmal umsonst beherbergt und verpflegt zu haben, nehme ich nicht an.“
Mit diesen Worten wurde der Wirt gnädigst entlassen und der Reisemarschall zahlte ihm die Summe für Kost und Logis aus. Es war die doppelte Summe von jener des letzten Jahres.
Seit dieser Zeit nennen die Lambacher ihren Wirt nur noch den Schnürwirt.
König Richard Löwenherz und der Sänger
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