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Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Titel: Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Morscher , Berit Mrugalska
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besuchte sie ihren Löwen und vertraute ihm alle Dinge an, die sie bewegten, und im Laufe der Jahre erzählte sie ihm eines Tages auch, dass sie sich verliebt hatte. Von da an wurden ihre Besuche bei dem Löwen weniger, und es kam der Tag, an dem Hochzeit gefeiert werden sollte. Gleich nach der Trauung sollte es in das Haus ihres Mannes gehen, und so kam Berta im Hochzeitskleid zum Löwen, um sich von ihm zu verabschieden. Sie ging zu ihm ins Gehege und schlang ihre Arme um seinen kuscheligen Hals, so wie sie es schon als Kind immer gern getan hatte. Da erschien ihr Bräutigam an der Käfigtür und wollte Berta holen; der Löwe verstand, wem er den Abschied von Berta zu verdanken hatte, brüllte laut auf und schlug mit der großen Pratze seine geliebte Berta tot. Dann legte er sich wieder hin und es schien fast, als wartete er darauf, von der Hand des weinenden Bräutigams erschossen zu werden.
    Das weiße Hemd
    In Sankt Georgen am Längsee, nicht weit von Sankt Veit an der Glan entfernt, liegen einige Burgen und Ruinen, die einen besser und die anderen schlechter erhalten. Die bedeutendste unter ihnen liegt im Osten der Stadt und entstand aus einer Ringwallsiedlung. Es handelt sich um die heutige Burgruine Taggenbrunn, von wo aus Kärnten einige Zeit lang regiert wurde.
    Zur Zeit der Kreuzzüge lebte auf dieser Burg ein geachteter Ritter, Heinrich von Taggenbrunn, und mit ihm seine religiöse Ehefrau Hildegard.
    Als Heinrich davon hörte, dass sich alle Ritter zusammenschlossen, um mit vereinter Kraft das Heilige Land zu befreien, da wollte auch er sein Gelübde als Ritter erfüllen und für das Christentum kämpfen. Diesen Entschluss besprach er mit seiner Frau und gemeinsam begannen sie, die Ausrüstung für die lange Fahrt zusammenzustellen. Unter den vielen notwendigen Kleidungsstücken und Ausrüstungsgegenständen gab ihm seine Frau auch ein schneeweißes Leinenhemd mit auf den Weg. Dazu bemerkte sie, dass er dieses Hemd zum Beweis ihrer Treue immer tragen sollte. So zog er von der Heimat fort in den Krieg.
    Während eines unglücklichen Kampfes geriet Heinrich in die Gewalt des Sultans, war von nun an sein Gefangener und musste allerlei niedrige Arbeiten verrichten und war sogar zum Ziehen des Pfluges verurteilt. Andere hatten ein ähnliches Schicksal wie er, und wenn die kräftigen Männer vor Müdigkeit und Erschöpfung zu Boden zu sinken drohten, dann wurden sie mit Schlägen und Peitschenhieben immer wieder zur Arbeit angetrieben.
    Heinrich trug täglich sein weißes Hemd, das ihm seine Frau mit auf den Weg gegeben hatte – bei Regen, Kälte und Sonnenschein –, es blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. Das Bemerkenswerte aber war, dass sein Hemd trotz der harten Arbeit, trotz Blut und Schweiß immer makellos rein blieb und nicht schmutzig wurde, anders als die Hemden der anderen Gefangenen. Eines Tages hörte auch der Sultan von diesem wunderbaren Hemd, ließ den Ritter Heinrich von Taggenbrunn vorführen und fragte ihn, warum denn sein Hemd nicht wie die der anderen schmutzig werde.
    „Als ich von meiner Heimat in das Heilige Land fortzog, gab mir meine Frau dieses Hemd mit und sagte zu mir, dass ich an der Reinheit des Hemdes immer ihre Treue erkennen werde“, erklärte Heinrich. „An der weißen Farbe erkennst du also, dass meine Frau mir in der ganzen Zeit nicht untreu geworden ist.“
    Da sagte der Sultan nichts mehr, dachte aber bei sich, dass er sich schon von der Wahrheit dieser Aussage überzeugen wollte. So schickte er einen verlässlichen Mann nach Kärnten auf Taggenbrunn, gab ihm sehr viel Geld mit und den Auftrag, die Frau des Ritters zu verführen und mit ihr die Ehe zu brechen. Dann würde er schon sehen, ob sich die Farbe des Hemdes veränderte.
    Auf Taggenbrunn angekommen, erzählte der gebildete und gutaussehende Türke gleich von der Gefangenschaft ihres Mannes und dass er so starke Entbehrungen erdulden müsse, dass er wohl kaum lebend wieder zurückerwartet werden konnte. Diese Nachricht zerschmetterte jegliche Hoffnung seiner besorgten Frau, doch ließ sie sich nicht auf den türkischen Gesandten ein, der sie nicht nur mit Worten trösten wollte. Er versuchte die Rittersfrau mit allen möglichen Mitteln zu verführen, doch es half alles nichts, und nach mehreren Tagen musste er unverrichteter Dinge wieder nach Hause ziehen. Kurz nach seinem Abschied aber suchte Frau Hildegard sich eine Kutte heraus, die einem Mönchsgewand glich, nahm sich ihre Laute und machte sich

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