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Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Titel: Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Morscher , Berit Mrugalska
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Abends, die Frau saß am warmen Feuer, schlug der Hund an und verstummte wieder. Doch erst, als ein Geräusch an der Tür war, schreckte die Frau auf, wandte sich um und sah auch schon in ein gelbes Gesicht mit kleinen, funkelnden Augen. Der Mann war klein und stämmig, er trug Tierfelle als Kleidung. Er hatte Pfeil und Bogen bei sich, im Gürtel steckte ein kurzes Schwert; schon war der Hunne bei der Frau und zog sie an sich. Doch diese schlug ihm mit der Faust ins Gesicht und sprang zum Fenster hinaus. Sie lief so schnell sie konnte – nur weg von diesem furchtbaren Mann –, und stand plötzlich vor einem tiefen Abgrund; unten konnte sie die rauschende Mur erblicken. Schon streckte der Hunne die Arme nach ihr aus – „Alles, nur nicht das“, dachte sich die zitternde Frau und sprang in die Tiefe. Wie ein Wunder spülte die Mur sie bewusstlos ans Ufer, wo sie auf andere Menschen traf, und bald war sie wieder mit ihrem Mann vereint. Noch heute nennen die Bewohner von Peggau diese Felswand Frauensprung.
    Die Spinnerin am Kreuz
    An der Triester Straße im 10. Bezirk steht eine schöne Steinsäule, die „Spinnerin am Kreuz“ genannt wird. Der große, reich gegliederte Tabernakelpfeiler wurde 1375 erbaut und 1452 durch den Dombaumeister von St. Stephan, Hans Puchsbaum, in neuer Form errichtet. Die Säule markierte die äußerste Grenze der Wiener Stadtgerichtsbarkeit. In unmittelbarer Nähe befand sich das Hochgericht, wo bis ins 19. Jahrhundert öffentliche Hinrichtungen durch den Galgen oder das Rad erfolgten. Die Hingerichteten wurden gleich an Ort und Stelle verscharrt und die Skelette werden bis in die heutige Zeit bei Tiefbauarbeiten gefunden.
    Besuchte man im Mittelalter Wien und kam von Süden aus zu diesem Punkt, so erblickte man hier zum ersten Mal die Stadt.
    Es ist schon mehr als 700 Jahre her, da kam die Nachricht nach Wien, dass das Heilige Land von den Türken erobert worden sei. In den Schenken und auf den Gassen sprachen die Leute davon, es wurden schreckliche Sachen erzählt: Alle Christen waren gefangen worden und mussten nun in Gefängnissen die schlimmste Marter erleiden. Wer kein Lösegeld zahlen konnte, dem wurde im besten Fall der Kopf abgeschlagen oder er wurde aufs Grausamste gefoltert.
    Bereits am nächsten Tag zog ein Bote des Herzogs durch die Stadt. Er läutete mit einer Glocke, damit die Leute aufmerksam wurden. Wenn sich dann viele Menschen um ihn angesammelt hatten, blieb der Bote stehen und verkündete:
    „Der Herzog lässt euch sagen, das Christentum ist in Gefahr. Die Türken können die Christen nicht leiden und vertreiben sie aus ihrem Land. Der Herzog lässt euch ebenso sagen, dass es einen Kreuzzug geben wird. Alle Männer, die mitziehen wollen, um das Heilige Land zu erobern, sollen sich melden. Wer nicht mitziehen kann oder will, der muss Geld für den Kreuzzug zahlen.“
    Nun waren die Leute noch aufgeregter. Viele Männer meldeten sich zur Teilnahme an dem Kreuzzug. Andere, die eine Familie besaßen, wollten lieber etwas zahlen. Da war auch ein Mann in Wien, der war jung verheiratet und hatte kein Geld.
    „Ich will auch etwas für die gute Sache tun“, sagte er zu seiner jungen Frau, „zahlen kann ich nichts, darum will ich selbst mitgehen und das Heilige Land befreien helfen.“
    Da weinte die Frau und sagte: „Wir sind doch erst seit drei Tagen verheiratet und schon willst du fort von mir. Aber ich sehe ein, dass es nicht anders geht. Ziehe du in den Krieg, aber gib Acht, dass dir nichts geschieht und dass du gesund zurückkommst!“
    So meldete sich der Mann in der Hofburg und ließ sich ein rotes Kreuz auf den Ärmel nähen, das war das Abzeichen der Kreuzfahrer. Nach vier Wochen wurde zum Aufbruch geblasen und die Kreuzfahrer marschierten ab. Die junge Ehegattin begleitete ihren Mann bis auf die Höhe des Wienerberges, wo damals ein einfaches Holzkreuz stand. Dort nahmen sie Abschied voneinander. Der Frau war so schwer ums Herz, sie wollte die Hand ihres Gatten nicht loslassen und sagte:
    „Mir ist, als sollte ich dich nie wiedersehen!“
    „Sei nicht traurig!“, sprach der Mann, „ich werde gewiss wiederkommen. So, jetzt leb wohl und denke recht oft an mich!“
    Seine Frau reichte ihm die Hand. Ihr Mann trat wieder in die Reihe und ging mit den anderen weiter. Nun wankte die Frau zu dem Holzkreuz, setzte sich auf die Bank und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Als sie wieder aufschaute, waren die Männer schon weit fort. In der Ferne sah sie nur noch eine

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