Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
lang im Gesicht zur Schau tragen, bis ihn das Kasermandl, als sich der Bauer im folgenden Jahre um dieselbe Zeit abermals dort hinstellte, wieder herauszog.
Wer in der Zeit auf die Alpe kommt, in der das Kasermandl droben haust, der kommt ganz sicher nicht ungeneckt davon. In der Nacht wird er kein Auge zutun können, denn dann spült das Kasermandl Schüsseln oder reibt Trichter ab oder verrichtet sonstige Almarbeit. Auch andere „Tratzereien“ wird er erleiden und über sich ergehen lassen müssen und wehe dem, der schimpfen oder fluchen würde.
Der „Steiner Ler“, jetzt Unterbrückler Senn, hat dieses Mandl schon öfters gesehen, es ist klein, graubärtig und grau gekleidet und muss für das büßen, was es zu Lebzeiten getan oder eben unterlassen hat. Es kann sein, dass es den von ihm verschwendeten Almnutzen wieder einbringen muss. Jedes Stäubchen Mehl und jeder Tropfen Milch, die es damals in leichtsinniger Weise verschüttet hat, muss es jetzt vom Boden aufklauben und damit kochen und Butter und Käse bereiten. Oder es muss sich um das unter seiner nachlässigen Obhut zu Grunde gegangene Vieh kümmern.
Eine arme Mutter in der Höttinger Au schickte vor vielen Jahren ihre beiden Kinder in den Wald oberhalb von Hötting, um Feuerholz zu sammeln. Die Kinder hatten schon ein Bündel Reisig gesammelt, da fing es an zu schneien. Und als sie sich verwundert umsahen, kannten sie die Gegend nicht mehr und wussten den Weg nicht mehr. Da sah das Mädchen, das etwas älter war, nicht weit entfernt von ihnen Rauch von einer Hütte aufsteigen. Es wurde schon langsam dunkel, und so beschlossen die Geschwister zur Hütte zu gehen, um dort die Nacht zu verbringen. Als sie vor der Holztür angekommen waren, da brauchten sie gar nicht erst zu klopfen, sie wurden bereits von einem kleinen Männchen mit dünnen Armen und Beinen und einem dicken, kugeligen Bauch erwartet.
„O mei, Kinderlen, da seid’s ja endlich, ich warte ja schon auf euch. Kommt’s herein, ich habe derweil a gute Mus übergetan“, sprach’s und dabei wippte sein langer Bart, der ihm bis auf die Brust reichte.
Die Kinder traten tapfer in die fremde Hütte ein, setzten sich und begannen mit großem Appetit, das herrliche Rahmmus zu verspeisen. Als sie genug gegessen und sich aufgewärmt hatten, wurden sie unglaublich müde, und das Kasermandl zeigte ihnen ihren Schlafplatz im Heu. Sie sprachen noch ihr Nachtgebet und schliefen sofort ein. Als sie am nächsten Morgen aufwachten, schien bereits die Sonne und der Himmel war tiefblau. Es war ihnen, als hätten sie lange nichts mehr gegessen, so großen Hunger hatten sie, und wieder hatte das Kasermandl ein besonders gutes Rahmmus für sie gekocht. Die Kinder nahmen ihr gesammeltes Holz und das Mandl zeigte ihnen den Weg nach Hause. Zu Hause angekommen, klopften sie an die Haustür und ihre Mutter öffnete ihnen die Tür. Doch erkannten sie sie fast nicht wieder, sie war abgemagert und kreideweiß im Gesicht, unter den Augen lagen tiefe, dunkle Schatten – sie schlug die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen, und erst nach einigen Minuten besann sie sich und nahm beide auf einmal in den Arm. Die Mutter dachte im ersten Augenblick, die Geister ihrer Kinder stünden vor der Tür, denn sie hielt beide für tot und hatte sich die Schuld dafür gegeben. Die Kinder erzählten der Mutter, dass sie die Nacht beim Kasermandl auf der Alm geschlafen hätten und erfuhren dann zu ihrer Verwunderung, dass es bereits Frühling sei und sie den ganzen Winter oben beim Kasermandl geschlafen hätten. Dann zeigten ihr die Kinder auch den Laib Brot, den ihnen das Höttinger Kasermandl geschenkt hatte. Täglich schnitten sie von nun an davon ab, es schien niemals aufgebraucht zu sein. Da rief die Schwester eines Tages verwundert aus:
„Ja, wird der Laib denn nie gar?“, da war es um den Zauber dieses immerwährenden Geschenks geschehen und es wurde kleiner.
Der Geist auf der Kanisfluh
Einmal war ein Männle neidisch auf seinen Nachbarn, da der die schöneren Kühe besaß. Vor Ärger hätte es fast gelb und grün werden können, wenn es die prächtigen Tiere auf der Weide sah. Nach und nach aber ging ihm das „Neidhäfele“ über, und es legte heimlich frisch geschälte Tannenrinden auf den Weg, auf dem des Nachbars Kühe gewöhnlich zur Tränke gingen. Als dann eine der Kühe auf die Rinden stieg, so ist sie geschlipft und über den Weg hinausgetrolet – über einen Bühel hinab, und dabei brach sie
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