Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Schöcklkobold
Es gibt sie noch, wenigstens hin und wieder, die alten Bauern um den Schöckl herum, die so manches wissen, was anderen Menschen verborgen ist. Sie kennen Heil-, Wunder- und Sympathiemittel gegen diese oder jene Krankheit, sie wissen, wo Schätze verborgen sind und wie man sie heben kann und dergleichen seltsame Dinge mehr.
Auch Regen sollen sie herzaubern können, und wenn eine andauernde Hitze im Land herrscht und die Früchte auf den Feldern und in den Gärten zu verdorren drohen, so wissen sie sich zu helfen. Es gibt viele Mittel, um Regen zu machen, aber eines ist darunter, das soll das beste sein.
Die Bauern nehmen dafür ein Tonkrügel, füllen es mit Wasser aus ihrem Brunnen oder auch aus der Mur und tragen dann dieses Krügel mitsamt dem Wasser bis auf die Höhe des Schöckls und schütten es da in das Wetterloch. Spätestens nach drei Tagen soll dann der Regen kommen, und das so ausgiebig, wie man es sich nur von Herzen wünschen kann.
Natürlich sind dafür nicht nur die Bauern verantwortlich, sondern ein großer Teil geht auf das Wirken vom Schöcklkobold, einem neckischen Geist, welcher im Innern des Schöckls haust, zurück. Andere wieder sagen, dies täte nur die Schöcklhexe, welche mit des Teufels Urgroßmutter nahe verwandt sein soll.
Einmal war wieder ein enorm heißer Sommer, so heiß, dass es kaum mehr auszuhalten war. Alles wurde dürr wie Stroh und das Laub auf den Bäumen, das Gemüse in den Gärten und die Wiesen waren schon ganz braun. Zu dieser Zeit gingen mehrere Bauern aus verschiedenen Gegenden des Grazerfeldes auf den Schöckl hinauf. Keiner wusste anfangs etwas vom anderen, jeder hatte daheim in der Stille sein Krügel gefüllt und war mutterseelenallein weggegangen. Unterwegs dann, da trafen sie sich, jeder mit seinem Krügel in der Hand. Und das war ein amüsantes Bild, die Bauern kamen natürlich ins Gespräch und es wurde viel gelacht. Doch welcher Mann gibt schon noch Acht, dass kein Tropfen Wasser verloren gehe, wenn man so viele neue Bekanntschaften schließt und es so viel zu bereden gibt? Viele der Bauern kamen nur mehr mit halbvollen Krügen oben an, und das war ein großer Fehler.
Aus dem Wetterloch sahen sie eine riesige Rauchsäule emporsteigen; einzelne Feuerfunken wurden in die Luft getrieben und ein eigentümlicher, schwefeliger Gestank verbreitete sich ringsumher.
Entsetzt wollten die Bauern wieder umkehren, da bemerkte einer von ihnen ein kleines Geschöpf, das wie im Tanz sich am Rande des Wetterloches hin und her bewegte.
Das kleine Männlein trug ein grasgrünes Kleid und hatte ein rotes Käppchen, geziert mit einer blauen Feder, auf dem Kopf. In den Händen hielt es eine sonderbar geformte Feuerzange, mit der es emsig herumarbeitete. Der kleine Kobold war so mit seiner Arbeit beschäftigt, dass er keinen der Bauern bemerkte und erst aufschrak, als ihn einer der Männer gepackt hatte. Er versuchte sich aus dem starken Griff zu winden, doch es half kein Zappeln und kein Kneifen und der Bauern sagte streng:
„Wenn du mir, kleiner Knirps, nicht sagst, wo die Tür zum Schöcklschatz in der Weißen Wand ist, so drücke ich dich zusammen wie eine Mostbirn’!“
„Wenn du mich z’sammdrückst, dann kann ich dir gar nichts mehr erzählen! Lass mich frei und ich werde dir alles sagen, was ich weiß!“
Das gefiel dem Bauern und er dachte sich: „Holla, jetzt erfahr’ ich, wo der große Schöcklschatz verborgen liegt!“, und er ließ den Kobold frei.
„Wenn die Bauern wüssten, wozu das Kreuz in der Nussschale taugt und wie groß der Schatz im Schöckl ist, sie würden denselben mit Trögen abtragen“, sagte der Wicht schelmisch und sprang mit einem Satz ins Wetterloch.
Der Bauer wusste nicht, wie ihm geschah, er hatte nichts von dem, was das Männlein ihm gesagt hatte, begriffen, und nun hatte er es auch noch entwischen lassen – so dumm!
Die Nachtsendin
Wenn eine Sendin, so werden die Sennerinnen im Salzburgischen genannt, recht nachlässig ist, so muss sie nach ihrem Tod als Geist alles wieder einarbeiten, was durch ihre Schuld verprasst worden ist. Wenn sie also Milch verschüttet oder verschwendet hat, oder durch ihre Schuld etwas verdorben ist, muss sie als Nachtsendin „nacharbeiten“.
Auf vielen Almen erzählt man sich von den Nachtsendinnen, die beim Anbruch der Nacht ihr Werk auf den einsamen Almhütten beginnen; in den meisten Fällen geschieht das aber erst nach dem Almabtrieb. Sie waschen dann die vielen Kübel und
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