Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
zu finden, und verließ das Haus. Schneidig schritt der junge Vater mit seinem Kind voran, doch je weiter er ins Moor kam, desto dichter wurde der Nebel. Er konnte fast nicht mehr die Hand vor Augen sehen, geschweige denn den sicheren Weg. Erschrocken blieb er stehen, was sollte er tun mit seinem Neugeborenen in einer nassen Novembernacht? Da stand plötzlich die hilfreiche alte Frau vor ihm.
„Gib mir das Kind und folge mir nach, ich will euch sicher den Weg durchs Moor zeigen. Hier kenne ich mich aus!“
Er fasste sogleich neuen Mut, gab der alten Frau, die ihnen ja schon so viel geholfen hatte, das Kind und folgte ihr erleichtert nach. Wie er so hinter ihr herschritt, konnte er nur ihre Trittsicherheit und vor allem die Schnelligkeit bewundern, mit der die Alte durchs Moor hastete. Die kannte hier wirklich jeden Schritt und Tritt in- und auswendig. Endlich hatten sie dann festen Grund unter den Füßen, in der Ferne hörte man bereits die Morgenglocke schlagen, da blieb die alte Frau abrupt stehen und gab ihm sein Kind zurück in die Arme.
„Meine Zeit ist um, du findest jetzt alleine weiter“, sagte sie und war auch schon wieder im Nebel verschwunden.
Eilends marschierte er weiter zum Pfarrer, den Mesner nahm er zum Paten, und als der Pfarrer in der Kirche das Tüchlein vom Kopf des Kindes nahm, da sahen sie mit Schrecken, dass das Kleine tot war. Die fremde alte Frau hatte die Seele des unschuldigen Kindes geraubt, es war natürlich das Lahnwaberl.
Das Lahnwaberl soll mit seinem Vater auf einem prächtigen Schloss bei Großflorian gelebt haben. Beide waren schöne und stolze Menschen, und beide glaubten weder an Gott noch Teufel. Eines schönen Tages schließlich versanken sie mit ihrem Schloss in der Erde, wo heute ein Sumpf sein soll. Das einstige schöne Ritterfräulein, vielleicht hieß sie Barbara, muss von nun an als Lahnwaberl an Teichen, Sümpfen und Lahnen, das sind verschilfte Seitenarme, herumwandeln.
Einmal zeigte sich das Lahnwaberl einem Soldaten in seiner schönen Gestalt. Bis zur Sperrstunde blieb der in einem Wirtshaus und machte sich dann endlich auf den Heimweg.
„Dass du mir ja nicht dem Lahnwaberl begegnest“, warnte ihn der Wirt beim Verlassen der Gaststube, doch der Soldat lachte laut auf und sprach: „An diesen Geisterkram glaube ich nicht. Eine gute Nacht wünsche ich!“
Und er machte sich auf den Weg. Nebel schlich langsam herauf und als er zur großen Lahn kam, da konnte er weder den Weg noch seine eigenen Füße sehen. „O je, o je, auch das noch. Da werde ich ja eine schöne Figur machen, erst groß reden und dann nicht heimfinden“, dachte sich der Soldat. Und da stand es auch schon vor ihm – ein wunderschönes Mädchen in einem alten Trachtenkleid mit einem Spanlicht in der Hand. Es fasste ihn am Arm und führte ihn um das schmutzige Wasser herum und immer weiter und weiter. Der Nachtschwärmer wusste sogleich, wer da vor ihm stand – das Lahnwaberl – und ließ alles schlotternd vor Angst mit sich geschehen. Als er es aus den Augenwinkeln ansah, denn zu mehr traute er sich nicht, da sah er seine krallenlangen Fingernägel; an seinem grünen Gürtel trug es einen Schlüsselbund. Endlich graute der Morgen und das Lahnwaberl ließ ihn vor dem Wirtshaus stehen, von dem aus er um Mitternacht aufgebrochen war. Er war nun vollkommen nüchtern und klopfte erschöpft den Wirt aus dem Bett. Schaudernd bemerkte der Wirt, dass der Soldat, der von nun an nie mehr übers Lahnwaberl lachte, jetzt schneeweiße Haare hatte.
Der Wechselbalg
Bei einem Kleinbauern in Seeboden, es war beim Papst im Noringgraben, lebte ein ganz übler Wechselbalg schon mehrere Jahre lang. Dieser machte nichts als Ärger den ganzen Tag und war eine Plage für das ganze Haus. Die meiste Zeit kauerte er hinter dem Kachelofen, beobachtete die Familie bei ihrem Schaffen und nahm jede Gelegenheit wahr, den anderen ein Schnippchen zu schlagen. Irgendwann hatte die Bäuerin genug davon und fragte ihre Nachbarin um Hilfe. Die riet ihr alle Töpfe, Häfen und Schalen auf den Herd zu stellen, und wenn kein Platz mehr auf der Feuerstelle sei, dann sollte sie das Geschirr aufeinanderstapeln. Dann solle sie ein großes Feuer darunter machen und wenn alles gutginge, könne sie damit vielleicht den Wechselbalg vertreiben.
Die Bäuerin tat genauso und ging dann aus der Küche. Nun holperte der Quälgeist vom Hinterofen herab und stammelte verwundert:
„Jetzt bin i schoan so olt.
Doß die Wies’n ober’n
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