Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Leben nachgehen könne, ohne Angst vor dunklem Zauber haben zu müssen. Doch der Freundin kam etwas dazwischen und sie erreichte den Geistlichen nicht. Nun bat sie die Hebamme, für sie doch den Geistlichen zu benachrichtigen, und diese versprach es ihr hoch und heilig. Als nun der letztmögliche Tag für den Segen gekommen war und der Geistliche nicht kam, da entschloss sich die Frau, mit ihrem Baby selbst nach Fügen zu gehen. Sie kleidete sich und ihr Kindlein festlich an, versah sich mit allem Nötigen, wartete aber stets noch und sah aus dem Fenster, ob nicht der erwartete Priester zu sehen wäre. Die Zeit verrann wie im Fluge, der Nachmittag neigte sich dem Abend zu – und niemand kam. Jetzt segnete sie sich und ihr Kind, verschloss ihr Haus und ging. Kühl und frostig wehte der Herbstwind, ein Rabe, ein Unglücksvogel, flog über den Weg und setzte sich auf einen Zaun, an dem die Frau vorbeimusste. Sie wollte aber an diesem Unglückspropheten nicht vorbeigehen und machte lieber einen weiten Umweg, der am Jaudenstein vorbeiführt. Es war bereits dunkel, und nun hörte sie auch schon das abendliche Avegeläute vom gegenüberliegenden Kirchturm von Fügen.
„Oh nein“, rief sie angstvoll aus, „der letzte Segenstag ist verstrichen!“, und machte sich schnell auf den Rückweg. Als sie sich umdrehte, da sah sie hinter sich die Hebamme, die sie sicher auf ihrem Kirchweg begleiten wollte.
Doch als sie näher kam, erkannte sie mit Entsetzen, dass das nicht ihre Hebamme war. Vor ihr stand ein Weib mit kaltem, stechendem Blick, das lachte ihr laut und höhnisch entgegen und rief:
„Fliehst du vor der Kirchenglocke? Ei, so flüchte zu mir“, und das Weib umfasste die erschrockene junge Mutter und zog sie in den Fels vom Jaudenstein hinein. Das grässliche Weib war die Stampa, die die Wöchnerin mit ihrem Kind durch einen Spalt hineinzog. Nachdem sich der Fels wieder geschlossen hatte, wurden Mutter und Kind nie wieder gesehen.
Die Hebamme hatte ihr Versprechen eingehalten und der Pfarrer bat sie, der jungen Witwe auszurichten, dass er sofort nach der Abendmesse zu ihr kommen werde. Als die Hebamme auf dem Weg war, ihr die Nachricht zu überbringen, wurde sie zu einer äußerst komplizierten Geburt gerufen und musste erst dorthin. Der Pfarrer stand nun vor der verschlossenen Tür des „Waldhäusels“ und die Hebamme konnte noch von Weitem mit ansehen, wie die Stampa Mutter und Kind in den Berg zog.
Die Hebamme konnte das Vorgefallene nicht verkraften und verlor daraufhin den Verstand. Der Jaudenstein aber blieb von jener Zeit an verrufen.
Das Lahnwaberl raubt ein Kind
Bei der Bergmühle in Seggau arbeitete früher einmal ein junger Müllersbursche. Dem ging die Arbeit schnell von der Hand, und er war immer zu einem Scherz aufgelegt. Es brauchte auch nicht lange, bis er sich in die hübsche Magd des nahen Wirtschaftshofes verliebte und auch sie verliebte sich in den starken und netten Müllersburschen. Dass beide auf einem bischöflichen Gut angestellt waren, hinderte sie nicht daran, sich auch spät abends noch zu treffen. Nach einigen Wochen bemerkte die Magd, dass sie schwanger war, und beide freuten sich darüber. Sorglos erledigten sie weiterhin jeden Tag ihre Arbeit, Monat für Monat, doch es kam die Zeit, da machte der jungen Frau die schwere Arbeit zu schaffen. Eines Tages stand wie aus dem Nichts eine fremde alte Frau neben ihr und half ihr bei den besonders strengen Arbeiten, und genauso schnell war sie auch wieder verschwunden.
„Wer mag das wohl sein, die mir so gütig zur Hand geht und gerade jetzt, wo ich Hilfe bei der Arbeit wirklich brauchen kann?“, rätselte die Magd.
Das Paar versuchte auszuforschen, wer die gütige Alte war, aber es kam nicht dahinter. Je näher es auf den Geburtstermin zuging, desto öfter kam auch die Alte.
In einer Novembernacht war es dann so weit, die Wehen setzten ein und um Mitternacht kam das Baby auf die Welt. Nun galt es, das Kind gleich nach der Geburt taufen zu lassen, wie es damals so üblich war, doch das Kind war sehr schwach und der Weg zum Pfarrer sehr weit. Es regnete und war neblig und der Weg ins Dorf führte durchs Moor. Sie beschlossen, das Baby noch in der Nacht in Leibnitz taufen zu lassen.
„Pack mir unser Kind gut in warme Decken ein, ich werde es noch in dieser Nacht in Leibnitz taufen lassen“, sagte der Vater des Kindes und zündete schon die Laterne an.
Dann nahm er seinen langen Stecken, den brauchte er, um den Weg im nebligen Moor
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