Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
eingeladen. Sie unterhielten sich über ihre neuesten Forschungen und „pokulierten“ – wie sie es nannten und was nichts anderes hieß, als dass sie „becherten“ – bis spät in die Nacht hinein. Faust kredenzte seinen Gästen hervorragende Weine, aber zur vorgerückten Stunde wollten sie doch noch etwas unternehmen, und da kam dem Faust eine unerhörte Idee.
„Wir werden jetzt zu einem der besten Weinkeller fahren, von dem ich je gehört habe, und uns selber davon überzeugen, ob dieser tatsächlich bis unter die Decke hin mit Flaschen gefüllt ist und ob dort wirklich nur die besten Tropfen zu finden sind. Ihr habt es sicherlich schon erraten, wohin wir fahren – wir werden dem Weinkeller des Bischofs von Salzburg einen kleinen Besuch abstatten!“
Ein kleines Raunen entstand unter den Gästen und alle folgten ihm in den Garten hinaus. Die Studenten wussten, dass ihr Lehrer nichts Böses im Sinn hatte, außerdem wollte er ihnen nur Gutes tun und schließlich hatte er gesagt, dass er für alles geradestehen werde. So setzten sie sich denn alle miteinander auf eine Leiter, die er in seinem Garten bereitgestellt hatte – ein jeder auf eine Sprosse –, und schon begann die Fahrt durch die Luft. Kurz nach Mitternacht kamen sie im bischöflichen Keller zu Salzburg an. Sie machten sich Licht, und in fröhlicher Runde begannen sie, einen Wein nach dem anderen zu verkosten. Unter Scherzen und Singen mögen sie hier etwa eine Stunde lang auf das Wohl des Bischofs getrunken haben, als sich plötzlich die Tür des Kellers öffnete und der Kellermeister erschien. Dieser wollte eigentlich nur für sich und seine Gesellen einen Schlaftrunk holen und war jetzt sehr überrascht, hinter der versperrten Weinkellertür einen Kreis munterer Zecher zu finden. Es war ihm unerklärlich, wie die hier hereingekommen sein konnten, das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen – und damit lag der gute Kellermeister ja auch ganz richtig. Aber er fasste sich sofort und begann gewaltig zu donnern und zu schimpfen:
„Ihr Diebe, wartet nur, den verdienten Lohn sollt ihr schon bekommen!“
Er drehte sich um und wollte Hilfe holen. Doktor Faust hatte den Ernst der Lage sogleich erkannt, da seine jungen Schüler nur mehr still und reumütig dasaßen. Er stellte sich dem Kellermeister in den Weg, forderte seine Schüler auf, sich jeder noch eine Flasche vom besten Wein zu nehmen und hieß sie wieder auf die Leiter aufsitzen. Den Kellermeister packte er an den Haaren, und im Fluge verließen sie wieder den herrlichen Weinkeller in Salzburg. In Windeseile stiegen sie in die Luft und als sie an einem Tannenwipfel vorbeiflogen, setzte er hier den vor Angst und Schreck fast heulenden Kellermeister, der schon sein letztes Stündlein kommen sah, ab. Jetzt hing er hier oben und konnte nur um sein Leben bangen, denn jedes Mal, wenn er sich zu befreien versuchte, brach einer der Zweige unter seiner großen Last ab. Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als auf Hilfe zu warten, und so verhielt er sich denn ruhig und harrte in Geduld, bis der Morgen anbrach. Halb erstarrt vor Kälte, hörte er nun endlich zwei Bauern unter sich, die auf dem Weg in die Stadt waren, um Butter und Schmalz zu verkaufen. Sofort begann er so lange und so laut zu rufen, bis ihn die Bauern entdeckten, die nicht wenig erstaunt waren, jemanden so hoch in einem Tannenwipfel zu sehen. Erst als er ihnen reichen Lohn versprach, wenn sie ihn retteten, liefen sie in die Stadt, um Hilfe zu holen. Sie kamen sogar an den Hof, doch wollte ihnen niemand glauben, dass draußen vor der Stadt der bischöfliche Kellermeister hoch droben in einem Tannenwipfel festgeklammert saß und nicht mehr herunter auf den Boden kommen konnte. Da der Kellermeister aber schon den ganzen Tag unauffindbar war, hielt man ihre Meldung dann doch für glaubhaft und machte sich auf den Weg, den Mann aus seiner misslichen Lage zu befreien. Nach vielen Mühen und Plagen und nicht ohne neuerliche Gefahr für des armen Kellermeisters Leben wurde er endlich herabgebracht. Er dankte dem Herrgott aus tiefstem Herzensgrund und begann sofort, von den unglaublichen Erlebnissen der letzten Nacht zu erzählen. Als er aber gefragt wurde, wie denn der Doktor mit den Schülern geheißen habe, da konnte er keine Namen mehr nennen. Erst viel später erkannte man, dass es Doktor Faust gewesen war, der dem Kellermeister zu einer unfreiwilligen Luftfahrt verholfen hatte.
Seit dieser Nacht aber verzichtete der Kellermeister
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