Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
so prächtiges Vieh. Über Hof und Haus schien ein besonderer Segen zu liegen.
Die Schlange kam aber nicht nur in die Nähe der Menschen, um sich ihre Milch abzuholen, auch an den Samstagen schaute sie vorbei, und zwar genau dann, wenn in der Familie in der Bauernstube der Rosenkranz gebetet wurde. Flink schlängelte der kleine Gast herbei und blieb in einem Winkel zusammengerollt liegen, bis das Gebet beendet war, dann verschwand er wieder. Den Bauern kam es fast so vor, als wenn das Wohlergehen der Schlange mit Haus und Hof verbunden wäre.
Der pubertierende Sohn der Familie fand das Ganze lachhaft. Die wenigen Male, an denen er beim Rosenkranzgebet anwesend war, zog er durch sein Verhalten den Zorn der Familie auf sich. Über das abergläubische Denken seiner Eltern, dass es so etwas wie eine Hausschlange geben könnte, da kam wiederum in ihm die Scham auf.
„Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass unser ‚Glück‘, wie ihr es nennt, von einem Tier abhängig sein soll. Und noch dazu von einer Schlange! Ich sage euch etwas, unser ‚Glück‘ ist der gerechte Lohn für unsere tägliche Arbeit, nicht mehr und nicht weniger. Ich werde euch schon noch beweisen, dass es so etwas wie eine ‚Glücksschlange‘ nicht gibt, ihr werdet schon sehen!“, sagte der Bursche oft aufgebracht zu seinen Eltern.
Die Mutter schlug dann meistens die Hände zusammen und versuchte ihren aufgebrachten Sohn zu beschwichtigen.
„Ich bitte dich aus tiefstem Herzen, bring unser Glück nicht in Gefahr und tu der Schlange ja kein Leid an. Jetzt, wo es uns auf einmal so gut geht!“
Eines Tages dann, die Eltern waren noch draußen auf dem Feld beschäftigt, kehrte der Sohn mit einem Fuhrwerk früher heim und hatte jetzt endlich die Gelegenheit, die Schlange alleine anzutreffen. Er nahm sich eine Sichel und in Sekundenschnelle lagen nur mehr zuckende Stücke vor ihm auf dem Fußboden. Ein paar Blutspritzer hatte er an den Beinen, aber das störte ihn weiter nicht, denn endlich hatte er das in die Tat umgesetzt, was er schon lange vorgehabt hatte. Hinter sich hörte er bereits den schlurfenden Schritt seiner Mutter und nun drehte er sich doch zu ihr um, auch wenn er es gar nicht wollte. Das blanke Entsetzen war in das Gesicht seiner Mutter geschrieben, sie hatte die Schlange, die immer zu ihr in den Stall kam und die sie so gern fütterte, recht liebgewonnen. Noch hatten die Körperteile des Wurms nicht „ausgegeistert“, und seine Eltern standen nun beide da und schauten sprachlos auf die zerstückelte Schlange. Beide machten sich große Sorgen, wie nun ihr Leben wohl weitergehen würde, da ihr Sohn die glückbringende Hausschlange getötet hatte.
Und ihre Sorgen waren berechtigt, denn von dieser Stunde an wich der Segen, der über Haus und Hof lag. Jahr für Jahr gab es eine neuerliche Missernte, das Vieh im Stall magerte ab und wurde krank und bald gab es auch hohe Kosten für das Haus, die nicht gezahlt werden konnten. Als dann auch noch die Eltern des Sohnes krank wurden und starben, da fing auch er an, daran zu glauben, dass die schwarze Schlange eine glückbringende Hausschlange gewesen war. Zutiefst bereute er nun seine Tat und wollte durch viel Fleiß und harte Arbeit den Hof wieder florieren lassen, aber was er auch angriff, nichts brachte ihm Geld und Segen ein. Er heiratete ein fleißiges Mädchen aus dem Ort, aber noch immer kehrte kein Glück auf diesem Hof ein. Zeitlebens musste der Bauernsohn dafür büßen, dass er die Hausschlange getötet hatte.
Im Bezirk Feldkirchen gab es sogar eine Zeit lang so viele Schlangen, dass sie selbst in die Wohnstuben und Küchen kamen und vor nichts und niemandem Angst hatten. Besonders befallen waren das alte Schloss Glanegg und seine Ortschaft. So war einmal eine einzige Magd auf einem Bauernhof geblieben, um das Mittagessen zu kochen, während die Bauersleute und die Knechte und Mägde in der Kirche waren. Als die Hauptarbeit getan war und die Töpfe und Reindln auf dem Herd kochten, nutzte sie die freie Minute und brachte den Schweinen im Stall das Futter. Wie sie nun in die Küche zurückkehrte und schnell das Kraut umrühren wollte, damit es nicht ansitze, da sah sie mit Entsetzen, dass an dem Löffel eine Otter hing. Nun hieß es einen kühlen Kopf zu bewahren und sie machte sich als Erstes daran, die Schlange aus dem Haus zu werfen. Aber was sollte sie mit dem Essen machen? Ihr blieb weder genug Zeit, ein neues Essen zu kochen, noch würde es unbemerkt bleiben, dass sie so
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