Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Unwissenden Schaden zufügen.
Sein Famulus versprach ihm, alles genau so auszuführen, wie er es ihm angesagt hatte. Er ging jedoch schnurstracks in seine Kammer, um dort die wertvolle Phiole zu verstecken.
„Blöd werde ich sein und die beste Medizin, mit der ich in die Fußstapfen des Meisters treten werde, in den Bach zu werfen!“, sagte sich der hinterhältige Schüler. Als er nun nach ein paar Stunden wieder zu Paracelsus ans Bett trat und ihm vorlog, dass er alles nach Anweisung erledigt habe, da dankte ihm der Meister und fragte:
„Aber nun sage mir auch, was hast du gesehen, als die Tinktur ins Wasser geronnen ist?“
„Ja, was soll ich denn gesehen haben? Nichts Besonderes, Wasser halt!“, beteuerte der Famulus.
„Belogen hast du mich – belogen und betrogen –, aber wenn du nicht augenblicklich das tust, was du tun solltest, dann wird dir ein großes Unglück geschehen, du Esel, du dummer!“, rügte ihn der Sterbende.
Nun lief der Famulus schnell zur Tür hinaus, holte die Phiole, sprang in die Stadt und auf die Salzachbrücke und zerschlug dort mit einem Stein die Phiole, sodass der Inhalt in das Wasser lief. Und was er dann sah, das sollte er sein Lebtag nicht vergessen. Überall dort, wo sich das Elexier im Wasser verteilte, da schimmerte die ganze Oberfläche des Flusses wie gediegenes Gold. Zu spät erkannte er, welches Elexier er in die Salzach geschüttet hatte – es war das Konzentrat, welches die geheime Kraft hatte, alles in Gold zu verwandeln. Und nun war es weg, und kleine Goldkörnchen setzten sich langsam auf dem Boden des Flusses ab. Er raufte sich die Haare, aber dann kam ihm der Gedanke, dass es vielleicht noch weitere Phiolen mit dem selben Inhalt geben könnte. Mit kreideweißem Gesicht und zerrauften Haaren stürzte er wieder an das Krankenbett, aber noch ehe er zu Atem kam, fing Paracelsus an derb zu lachen.
„Ich sagte dir doch, es wäre dein Unglück, die geheime Kraft der Tinktur zu kennen; jawohl, ein Unglück wär’s, wenn ich sie in einer Hand wie der deinen wüsst’!“
„Herr, ich bekenne reumütig meine Unwürdigkeit“, heuchelte der Famulus, „doch wer ist würdig auf Erden? So sagt mir doch, wenn Ihr noch mehrere solche Fläschchen habt, damit ich sie für Euch alle zerstören kann.“
„Es war die einzige Phiole, du Narr“, sprach der Meister, „glaubst du, man braut ein Goldelixier eimerweise?“
Und er lachte wieder laut über die Dummheit der Welt und hörte nicht auf, bis ihm der Atem ausging.
Er wurde dann würdig begraben, wie es sich für einen in geheimen Wissenschaften hochgelehrten Mann gebührte, und zwar von dem damaligen Erzbischof, Ernst Pfalzgraf vom Rhein, der selbst ein Liebhaber der Alchemie war. Die Salzach aber führt seit jenem Tag Gold im Sand.
Andere wissen zu berichten, dass Paracelsus, noch ehe er ein volles Jahr in Salzburg gelebt hatte, einer Verschwörung der übrigen Ärzte zum Opfer fiel. Bei einer angestifteten Rauferei im Wirtshaus „Zur rostigen Pechpfanne“ am Kai wurde er über zwei Stiegen hinabgeworfen. Dazu erhielt er einen starken Schlag auf den Kopf und noch einige kleinere Wunden, sodass er bald darauf starb.
Manch einer weiß auch, dass der Famulus mit Namen Klaus Frachmair hieß, und dass Paracelsus einer Verschwörung der Apotheker zum Opfer fiel. So soll er durch den Pharmazeuten der Niderlapotheke vergiftet worden sein. Als Paracelsus erkannte, was ihm angetan worden war, befahl er seinem Diener, ihn allein zu lassen und die Türen zu schließen. Nachdem der Doktor schon mehrere Tage ohne Essen und Trinken und ohne ein Lebenszeichen verbracht hatte, öffnete der Diener leise die Tür. Aber welch ein Unglück! Paracelsus hatte es durch seine Kunst erreicht, dass das Gift samt dem anliegenden Magenschleim in einem grünen, gallertartigen Klumpen durch den Schlund langsam heraufgezogen wurde und gerade in dem Augenblick in der Gurgel angelangt war, als der Diener die Tür öffnete. Jetzt rutschte es plötzlich wieder in den Magen hinunter und Paracelsus war des Todes.
Während die meisten Sagen davon berichten, dass Paracelsus aus Neid und Missgunst sowie durch den Ungehorsam seines Dieners ums Leben kam, so erzählt die folgende Variante, dass es allein um Liebe ging:
Der junge angehende Arzt und Schüler des Paracelsus, Erasmus Palmer, erzählte seiner Angebeteten von den wunderbaren Wirkungen des Lebenselixiers, welches sein Meister besaß. Seine Braut, Agatha Schnellerin, war von diesem Moment
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