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Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Titel: Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Morscher , Berit Mrugalska
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ihrer Herzensangst:
    „Kinder, wer von euch nicht darüberfliegen kann, der schlüpfe unten durch!“
    Das gefiel Theophrasts Diener ungemein, und er lachte herzlich darüber, weit mehr noch als davor über die Elstern. Auch jetzt tat der Doktor so, als wenn er nichts bemerkt hätte.
    Es dauerte nicht lange, da kamen die zwei Reiter an eine Wiese, auf der es gar lustig und lebendig herging. Als die Blümelein und Kräuter den Doktor erblickten, warfen sie sich stolz in die Brust und jede rühmte ihre guten Eigenschaften: Der Fieberklee, dass er gut sei gegen das Fieber, der Baldrian seine Macht gegen Krämpfe, die Kamille, dass sie den Kopfschmerz, die Minze das Leibschneiden und der Löwenzahn die Brust heile. Der Salbei galt als bestes Mittel für die Zähne, der Steinklee als wirksam für den Magen, ebenso das Tausendgüldenkraut und der Calmus.
    Mit einem Male sprang ein winzig kleines Blümlein von roter Farbe in die Höhe und schrie mit seinem fadendünnen Stimmchen, dass es in den Ohren gellte:
    „I bin gut für d’Ruhr,
    für d’rot und für d’weiß!“
    Dieses kleine, zierliche Blümlein sprach in einer recht derben, bäuerlichen Sprache, und daher musste der Diener so laut lachen, dass er sich kaum zu halten wusste, denn noch nie war ihm so etwas untergekommen.
    Nun aber war es endgültig aus mit Theophrastus’ Geduld – er wusste mit Sicherheit, dass der Diener sein Verbot gebrochen hatte –, und bereits im nächsten Augenblick war der Diener nicht mehr unter den Lebenden.
    Es wurden allerlei sonderbare Geschichten über das Leben und Wirken des Paracelsus in Umlauf gebracht, der einen großen Teil seines Lebens in Salzburg, wo er auch begraben liegt, als Arzt verbrachte. Von allen Seiten kamen Kranke und Leidende, um bei ihm Rat und Hilfe zu finden. Ihm schienen selbst die schwierigsten Kuren zu glücken, und so hieß es im Volk bald, Paracelsus wirke Wunder, verfüge über geheime Zauberkräfte und besitze ein wundertätiges Lebenselixier, von dem ein Tropfen genüge, um alle Krankheitskeime zu vernichten.
    Dieses Lebenselixier konnte angeblich auch halb erloschene Lebensgeister aufs Neue entflammen und das Leben auf hundert Jahre verlängern. Auch Gold könne der Doktor machen, und er verstehe sogar die Sprache der Tiere und Pflanzen, so hieß es. Seine Feinde und Neider dagegen sagten ihm alles Böse nach und behaupteten sogar, er stehe mit dem Teufel im Bunde.
    Vom Sterben des Paracelsus
    Theophrastus lag daheim auf dem Totenbett, viele sagen, es war im Nebengebäude des Fröschlmoser-Hofes im Stadtteil Mülln – das dann in einen Stall umgewandelt und später als Irrenanstalt benützt wurde –, da man hier nach Jahren allerlei uralte alchimistische Geräte fand, und sprach zu seinem Gehilfen:
    „Was meinst du, werde ich sterben oder wieder auferstehen? Aber bitte sei ehrlich mit deiner Antwort, denn ich habe immer danach gelebt, dass niemand etwas mit ins Grab nehmen kann. Ich wollte auch nie in der Gunst der Frauen stehen oder habe mir was aus anderen irdischen Freuden gemacht.“
    Der Famulus musste sich auf die Zunge beißen, um bei diesen Worten nicht laut loszuprusten, denn er hatte den Schalk im Nacken. Er wusste genau, warum sein Herr dem Charme der Frauen aus dem Weg ging, wahrte aber das Geheimnis über die Zweigeschlechtlichkeit des Paracelsus und tat so, als ob er dessen Besonderheit nie bemerkt hätte.
    Auch sah er ganz genau, dass Paracelsus nicht mehr lange zu leben hatte und wartete schon darauf, die vielen Tinkturen des Meisters zu erben, durch deren Verkauf er für den Rest seines Lebens ausgesorgt haben würde. In Wirklichkeit freute er sich auf den Tod seines Herrn, verstellte sich aber und gab ihm mit weinerlicher Stimme zur Antwort:
    „Aber Herr, Ihr seht so frisch und gesund aus wie nur irgendeiner und ihr seid dicker als jemals zuvor. Ihr werdet noch lange leben und dafür werde ich stündlich zu Gott und zu allen seinen Heiligen beten.“
    An diesen Worten erkannte Paracelsus, wie hinterhältig in Wirklichkeit sein Schüler war, denn keiner wusste so gut wie er selber, dass er im Sterben lag. Er ließ sich nichts anmerken und wies seinen Schüler und Diener an, die Phiole vom obersten Gesims zu nehmen, in der das Elixier sei, das ihn heilen werde, und es von der Salzachbrücke in den Fluss zu werfen. Damit sich der Inhalt auch wirklich im Wasser verteile, sollte er vorher das Glas zerschlagen. Denn das Elixier habe auch noch andere Eigenschaften und könne

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