Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Seite hingen krumme Säbel und auf dem Kopf trugen sie aus bunten Stoffen gewickelte Turbane. Die meisten der Dorfbewohner verließen den Ort und flüchteten nach Forchtenstein in die gleichnamige Burg – und das war richtig.
Denn sonst wäre es ihnen vielleicht so ergangen wie der Familie Mahlfleisch. Da blieb nämlich die Mutter mit ihren Kindern allein zu Hause – ohne Vater. Als dann die Türken durch den Ort streiften und zu dem Brunnen am Dorfplatz kamen, da betraten sie natürlich auch das Haus der Familie Mahlfleisch, das dort stand. Ihre Augen begannen in heller Freude zu glänzen, so freuten sie sich über das, was sie dort vorfanden – die Mutter mit ihren zwei Kindern. Zwei Buben im Alter von fünf und acht Jahren spielten friedlich miteinander und ein dritter lag schlummernd in der Wiege. Die türkischen Soldaten mussten nicht lange überlegen und packten die zwei spielenden Buben mit roher Gewalt, während die Mutter den Kindern schreiend zur Hilfe lief. Ihre Kinder sollten nicht von den Türken verschleppt werden und zu Kindersoldaten ausgebildet werden, wie sie es schon so oft gehört hatte. Die Türken hatten nämlich schon viele Christenknaben gefangen genommen und zwangsrekrutiert.
Es half aber kein Schreien und kein Weinen, gegen die Kräfte der zwei Männer war sie sowieso machtlos, und auch sie wurde mit ihren Kindern gefesselt und auf einen Wagen geworfen. Von Wiesen ging es dann nach Wien und weiter ins fremde Türkenland.
Die Jahre vergingen und die zwei Mahlfleischknaben wurden erwachsen und gelangten in der türkischen Armee zu hohen Würden, ja sie wurden sogar Heerführer im Land der Türken. Doch dann kamen friedliche Zeiten und die zwei Männer hatten viel Zeit, um am sonnigen Meerufer zu sitzen und über Gott und die Welt nachzudenken. Und bei ihren Gesprächen über Vergangenes tauchten immer wieder die Bilder ihrer Kindheit und ihrer Familie auf. Das Rosaliengebirge mit seinen dunklen Wäldern und dem rauschenden Wasser, arme Hütten mit Strohdächern, aus denen der blaue Rauch in den weiten Himmel stieg – dies alles wollten sie wiedersehen –, und der Gedanke einer Heimreise nistete sich in ihren Köpfen ein. Vor ihrem Tod wollten sie noch einmal die Heimat sehen, und so traten sie eines Morgens die weite Heimreise an. Glücklich kamen sie zurück nach Wiesen und betraten ihr Elternhaus, doch fanden sie niemanden mehr am Leben. Die Nachricht der Rückkehr der beiden ging wie ein Lauffeuer durch das Dorf und alle Bewohner liefen neugierig zusammen und bestaunten sie. Mit ihren langen Mänteln und wallenden Bärten sahen sie ganz wie die fremden Türken aus. Es wurde dann alles erzählt, was seit jenen bösen Tagen vorgefallen war, und viel wurde von Mutter und Vater gesprochen.
Doch dann kam es wieder zum Abschied. Alle Dorfbewohner baten die beiden zu bleiben, selbst der Priester wurde geholt, um sie von ihrer Abreise abzuhalten. Die zwei Brüder ließen sich aber nicht überzeugen und gingen zurück in ihre neue Heimat, wo Reichtum, Prunk und hohes Ansehen auf sie warteten.
Da sie nun zum zweiten Mal ihre Heimat verließen, um diese gegen Glanz und Prunk zu tauschen, wurden sie die Abtrünnigen genannt.
Kaiser Karl im Untersberg
Der Untersberg bei Salzburg ist ein aus vielerlei Gründen interessanter Berg: Er liegt auf der Grenze zwischen Deutschland und dem österreichischen Bundesland Salzburg. In ihm befindet sich die tiefste Höhle Deutschlands und bis heute sind seine Gänge und Schächte noch nicht vollends erforscht. Um diesen mystischen Berg ranken sich zahlreiche Sagen, die bekannteste ist wohl jene um den schlafenden Herrscher im Untersberg. Nur handelt es sich in den überlieferten Erzählungen namentlich nicht immer um den gleichen Herrscher – mal wird von einem Kaiser Karl und mal von einem Kaiser Friedrich berichtet, und wieder andere wissen zu berichten, dass der Kaiser im deutschen Kyffhäuser bis zum Beginn der letzten Schlacht schläft.
Nur wenige haben bisher den Kaiser Karl im Untersberg zu Gesicht bekommen, denn nur alle hundert Jahre glückt es einem Menschen, zu ihm in den Berg zu gelangen.
Einer, dem das gelang, war ein armer, kleiner Hirtenknabe, der hier das Vieh weidete. Täglich kam er hierher und er kannte die Gegend wirklich gut. Mit dabei hatte er natürlich seine kleine Hirtenflöte, auf der er zum Zeitvertreib gerne einige Liedchen spielte. Auch an diesem Tag spielte er eines ums andere, und bei einem besonders lustigen Stück rief
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