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Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Titel: Die schoensten Weihnachtsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Interesse, mein lieber, mein verehrter junger Herr Schreyvogel. Aber ich sehe ein, Sie können nicht länger in dieser Lage verharren, sie ist platterdings unerträglich. Nur noch eine Woche Frist geben Sie mir –!«
    Vage erwiderte ich, daß diese Unerträglichkeit schon viel zu lange gedauert habe, ich müßte mir meine Entschließung vorbehalten. (Den Brief an das Steueramt, mit dem ich die unannehmbaren Vorschläge annahm, trug ich da schon bei mir in der Tasche.)
    Statt mich zu einem Ja zu nötigen, wie er es sonst in aller Hartnäckigkeit getan hätte, zog Justizrat Steppe einen Scheck aus der Tasche, einen Scheck über eintausend Mark! Plötzlich hatte er wieder Geld für mich, plötzlich wollte er den Vogel lieber füttern als ihn fliegen lassen!
    Ich sehe noch den Ausdruck völliger Verwirrung auf seinem Gesicht, als ich den Scheck zurückwies: Ich sei nicht verlegen um Geld. Er verstand die Welt nicht mehr, mich nicht mehr, sich nicht mehr. Ich habe den mit allen Wassern gewaschenen Juristen nie so verlegen gesehen. Sein Abgang glich der Flucht eines auf das Haupt geschlagenen Feldherrn haargenau. Wie Herr Matz mußer gespürt haben, daß seine Zeit vorbei war. Er hatte seinen Gefangenen in zu erbarmungsloser Haft gehalten.
    Karla und ich, wir ahnten es ja damals noch nicht, daß unser nur auf ein paar Tage berechneter Weihnachtsausflug der Weg in die »Freiheit« war. Für uns war er erst einmal ein wunderbar spannendes Abenteuer, wie man es sonst nur in Büchern liest. Wir hätten nie gedacht, daß wir selbst so etwas erleben könnten. Fiebernd und glücklich vertrauten wir uns August Böök an. Der bekam sogar, als bester Freund, den gemeinen Brief aus Breslau zu lesen.
    Er las ihn, legte ihn still, mit einem beredten Blick von Karla zur Mücke, auf den Tisch zurück und holte ein sehr schmieriges, eselohriges Notizbuch aus der Tasche, in dem er eifrig zu kritzeln anfing.
    Dann schob er wieder das Gummiband über das Notizbuch, und nun endlich sagte er: »Ich hab mir die Adresse von dem Bruder aufgeschrieben. Sobald ich nach Breslau komme, bezieht der seine Wucht!«
    Dieser Satz enthielt ebensoviel gesunden Menschenverstand wie wirklichen Trost. Von dieser Stunde an war der häßliche Brief für Karla erledigt. Sie wußte, August Böök würde Wort halten, und damit war es, als sei die Wucht schon verpaßt! Man mußte keinen hilflosen Zorn mehr gegen das Breslauer Ekel empfinden!
    Und so, wie August Böök diesen häßlichen Fall auf die natürlichste und selbstverständlichste Art von der Welt erledigt hatte, so bewerkstelligte er auch unsere Flucht über das Schuppendach der Palasthotelpferde, alssei dies der allgemein übliche Weg, zu einem friedlichen Weihnachtsfest zu gelangen.
    Karla knüpfte noch an Mückes Schuhbändern, da hatte er den Koffer schon fortgeschafft und war wieder zurück.
    »Lassen Sie sich bloß Zeit, Chefin«, sagte er tröstend und hatte natürlich gesehen, daß ihre Finger ein bißchen verwirrt waren, ja geradezu zitterten. »Immer mit der Ruhe! Wir haben noch einen ganzen Haufen Zeit!«
    »Ich weiß, Herr Böök«, sagte Karla und überließ ihm ohne weiteres das Verschnüren der Schuhe. »Ich bin auch nicht aufgeregt. Nur, es kommt mir alles so komisch vor. Als erlebte ich es gar nicht richtig. Als könnte es nicht wahr sein, daß wir ausreißen, bloß um Weihnachten zu feiern.«
    Der August Böök warf der Karla einen raschen, dunklen Blick aus seinen von Fältchen umwitterten Augen zu. »Das
ist
auch komisch, Chefin«, sagte er dann. »Da haben Sie ganz recht. Bloß, wenn Sie mal richtig bedenken, daß es in hundert Jahren ganz egal ist, wie wir’s gehabt und gemacht haben, so ist schließlich alles komisch, auch Ihr früheres Weihnachten in der Mansarde mit der Oma Böök.«
    Er nickte zur Bestätigung nachdrücklich mit dem Kopf, daß der goldene Ring im linken Ohrläppchen leise schaukelte. Der Karla sah ich an, daß sie seine Auffassung unserer
früheren
Weihnachtsfeiern nicht unwidersprochen hinnehmen wollte. Aber die Mücke war fertig, sie fragte geheimnisvoll flüsternd, ob es nun zum Weihnachtsmann gehe, und so kam es zu keiner Debatte.
    Huckepack auf dem Rücken Onkel Bööks ritt sie die Leiter hinab, Karla folgte. Ich stand noch im Zimmer, legte den Brief an Justizrat Steppe, der ihn von unserem Weihnachtsurlaub an unbekanntem Ort benachrichtigte, auf den Tisch.
    Dann schloß ich die Tür zum Gang auf und sah den öden Hotelkorridor hinauf und hinunter. Das

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