Die Schokoladendiät
drückte sie beruhigend. Doch ihre Stimme klang nicht mal in ihren eigenen Ohren überzeugend.
7
An Heiligabend trifft sich unser Schokoclub, und wir tauschen Weihnachtsgeschenke aus. Autumn überreicht jeder von uns ein Schokoladensortiment aus Fairem Handel. Mir gefällt die Vorstellung, dass ich durch Schokolade-Essen Gutes tun kann. Es wimmelt von Kakaobauern in Blechhütten, die bestimmt für ihren Lebensunterhalt allein auf meine emotionalen Krisen angewiesen sind. Hätte ich ein ruhiges Leben, wären sie alle bankrott. Mein Beitrag für die Weltwirtschaft ist also nicht zu unterschätzen.
Von Nadia bekomme ich ein Kochbuch mit Schokoladenrezepten. Und Chantal hat auf einer ihrer Reisen nach Amerika für jede von uns ein schickes, mit Kakaobohnen gefärbtes T-Shirt besorgt. Das Shirt riecht himmlisch, ist herrlich schokoladenbraun und könnte mich glatt in Versuchung führen, es aufzuessen, wenn alle Stricke reißen – und sie reißen oft. Einen Moment lang halte ich inne und überlege, was Mr. Sexy mir wohl geschenkt hätte, wenn wir Weihnachten noch ein Paar gewesen wären. Bestimmt etwas Wunderschönes. Wieder spüre ich, wie mein Herz sich schmerzlich zusammenzieht. Ich versuche, das Bild seines nackten Hinterns und seiner attraktiven Gefährtin ganz tief in meinen Hinterkopf zu verbannen. Meine Zeit sollnicht damit verschwendet werden, mich schon wieder über einen Mann aufzuregen.
Wir bewundern unsere jeweiligen Geschenke und küssen und umarmen uns, und dann wenden wir uns wieder unserer eigentlichen Aufgabe zu. Clive hat jeder von uns ein Stück Schokokäsekuchen mit zartem, gesalzenem Karamell serviert, das nur darauf wartet, von uns verschlungen zu werden. Er hat das Chocolate Heaven schon für den Abend geschlossen, sodass wir jetzt seine Ehrengäste sind. Chantal hat den Babysitter für Lewis finanziert, damit auch Nadia mit von der Partie sein kann. Schließlich soll sie unsere letzte Schokofeier vor Weihnachten nicht versäumen. Unser Gastgeber reicht den Schokoladenwodka herum, und wir füllen unsere Schnapsgläschen nach.
«Wo ist denn Tristan heute Abend?», frage ich.
Clive wirkt peinlich berührt. «Der ist schon gegangen», berichtet er. «Er feiert Weihnachten mit seiner Familie.»
Wir sind alle verblüfft. Ich höre mitten in der Bewegung mit Einschenken auf. «Ihr seid Weihnachten nicht zusammen?»
«Na ja», sagt Clive mit verlegenem Hüsteln. «Im Moment kriselt es ein bisschen zwischen uns.»
Davon wussten wir noch gar nichts. Clive und Tristan schienen hier noch die Einzigen zu sein, die ihr Leben im Griff hatten. Was für ein deprimierender Gedanke, dass Beziehungsprobleme nicht allein auf den Kampf der Geschlechter zurückzuführen sind.
«Du wirst Weihnachten doch nicht etwa allein sein?» Auch wenn es mir leidtut, dass Clive dann nicht mit seinem Liebsten zusammen ist, habe ich jetzt doch einen Schimmer Hoffnung, hier noch einen weiteren einsamen Schlucker gefunden zu haben, mit dem ich den Feiertag verbringenkönnte. Vielleicht heißt es Weihnachten dann ja doch nicht, nur ich und
Chitty Chitty Bang Bang
– das familientaugliche Fernsehmusical. Hurra! Und noch besser: Ich könnte meine Weihnachtspackung Cadbury’s für einen Regentag aufheben, denn Clive würde bestimmt großartige Trüffel mitbringen.
«Ich habe schon etwas anderes arrangiert», gibt Clive geheimnisvoll zurück. Mir sinkt das Herz. Und dann verschwindet Clive beschämt in die Küche.
«Lucy?» Chantal mustert mich prüfend. «Bist du dir sicher, dass du für morgen schon etwas vorhast?» «O ja», antworte ich. «Klar habe ich Pläne.»
«Pläne, die nichts mit Marcus zu tun haben?»
Ich spüre, wie ich rot werde. «Warum um Himmels willen sollte ich mich denn mit Marcus treffen?»
«Weil du im Notfall immer auf ihn zurückgreifst, Lucy.»
«Du hast ihn doch nicht etwa angerufen, oder?», fragt Nadia mit einem misstrauischem Blick. «Sag mir, dass du das nicht getan hast.»
«Nein.» Selbst ich höre das Zögern in meiner Stimme. «
Ich
habe
ihn
nicht angerufen.»
Alle beugen sich mit gerunzelter Stirn vor. «Aber?»
Ich rutsche unbehaglich auf meinem Platz herum. «
Er
hat
mich
angerufen.»
Die Mädels seufzen laut.
«Nur ganz kurz», verteidige ich mich. «Und ich habe auch gar nicht abgenommen. Ich hab den Anruf direkt auf den Anrufbeantworter gehen lassen. Obwohl ich da war.» Ich hoffe, sie begreifen, dass das etwa so ist, als würde ein Schneeball mitten im Höllenfeuer gefroren
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