Die Schokoladendiät
Bett führen, wo er sich auf der altmodischen Tagesdecke zusammenrollte, als hätte er schwere Magenkrämpfe.
Sie strich ihm über die feuchte Stirn. «Geht es dir gut?»
«Weißt du, ich fühle mich nicht besonders, Schwesterchen.» Er würgte trocken.
«Was hast du diesmal genommen, Rich?»
«Ein bisschen Crack», gestand er schwach. «Nicht viel.»
So viel zum Entzug. Wie es schien, hatte er die Zeit in Amerika nur dazu genutzt, auf härtere Drogen umzusteigen. «Oh, Richard.» Sie ließ sich aufs Bett sinken und legte sich neben ihn.
«Ich weiß nicht, wie es passiert ist.» Er klang ehrlich verwirrt. «Ich war
nie
kokainabhängig», sagte er bemüht tapfer. «Ein paar Gramm, das war alles. Und plötzlich reichte das nicht mehr.» Zum ersten Mal klang er verängstigt.
«Wie lange willst du noch so weitermachen, kleiner Bruder?»
«Ich habe es unter Kontrolle», beharrte er mit klappernden Zähnen. «Ich
bekomme
es unter Kontrolle. Kannst du mir ins Bad helfen?»
Autumn half ihm auf die Füße. Er fühlte sich leicht und wackelig an und stolperte ins Bad wie ein alter Mann. Sie stand neben ihm und hielt ihm einen kalten, nassen Waschlappen an die Stirn, während er seinen Mageninhalt ins Waschbecken erbrach. Das hat man davon, dachte Autumn freudlos, wenn man an einem Feiertag ein bisschen zu fröhlich sein will.
Das weihnachtliche Debakel endete damit, dass sehr wenig gegessen wurde und Autumns Eltern um Addison herumstrichen und ihn baten, doch einmal wiederzukommen. Autumn hatte das Gefühl, dass ihr Freund wahrscheinlich nie wieder freiwillig einen Fuß über die Türschwelle ihrer Eltern setzen würde.
Jetzt fuhr er sie nach Hause. Er reihte sich in den spärlichen Feiertagsverkehr ein und fragte, ohne sie anzusehen: «Also, seit wann ist dein Bruder drogenabhängig?»
Autumn lehnte den Kopf an die Kopfstütze. «Ist es so offensichtlich?»
«Wenn man in der Plattenindustrie arbeitet, erkennt man einen guten Sänger auf hundert Meter.» Addison zuckte die Achseln. «Und ich bin eben im Drogengeschäft tätig.»
Sie hielten an einer Ampel, und Addison nahm ihre Hand. «Wissen deine Eltern, wie schlimm es um ihn steht?»
Sie schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht.»
«Weißt du es?»
«Ja», gab sie zu. «Aber ich tue so, als wüsste ich es nicht.»
«Es ist dir aber klar, dass du sein Verhalten auf diese Weise förderst?»
«Ich versuche nur, ihn zu beschützen», widersprach sie. «Das ist alles.»
«Und damit deckst du ihn und lieferst ihm Ausreden dafür, wie es eigentlich um ihn steht.»
Die Ampel sprang um, aber sie blieben einfach stehen. Zum Glück war Weihnachten, und es war niemand hinter ihnen, der ungeduldig hupte.
«Wie kann ich ihm helfen?»
«Vielleicht gar nicht, Autumn.»
«Aber ich kann doch nicht danebenstehen und zusehen, wie er sich zugrunde richtet.» Sie zupfte an ihrem Rock herum. «Er steckt tief drin. Früher hat er bloß ein bisschen gekokst – zum Entspannen.» Damit wiederholte sie nur die Lüge, die er ihr so oft aufgetischt hatte. «Jetzt ist das etwas anderes. Während er weg war, ist er auf härteres Zeug umgestiegen. Ich dachte, er wollte diesmal wirklich reinen Tisch machen, doch er ist wohl nur nach Amerika gegangen, um vor seinen Problemen zu Hause wegzulaufen. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mal, ob er überhaupt in einer Entzugsklinik war. Es gab hier ein paar Dealer, die wegen Geld hinter ihm her waren. Es war so schlimm, dass Richard sich vor Angst fast in die Hose gemacht hat.»
Addison zog eine Augenbraue hoch. «Und du hast dir Sorgen gemacht, deine Eltern könnten über mich schockiert sein.»
Autumn lachte. «Gott sei Dank ist der Nussbraten unbeschadet davongekommen. Was hätten wir sonst gegessen? Vielleicht waren meine Eltern zum ersten Mal im Leben froh, dass ich Vegetarierin bin.»
«Du musst nicht allein mit Richard klarkommen, Autumn», erklärte Addison. «Ich kann dir helfen. Verlass dich auf mich.»
Autumn traten Tränen in die Augen, und Addison zog sie an sich. «Danke», flüsterte sie.
14
Ich wache auf, und die Erinnerung an die letzte Nacht erfüllt mich sofort mit Entsetzen. Marcus liegt neben mir, den Arm über seinem Kopfkissen und das Bein auf meinem. Er hat es gemütlich. Supergemütlich. Ich nicht.
Ich liege stocksteif da, zu jeder Bewegung unfähig. Und jetzt? Das war wirklich keine gute Idee, oder? Selbst der flauschige Eisbär, der inzwischen oben auf meinem Schrank sitzt, schaut mich missbilligend
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