Die Schokoladendiät
an. Behutsam schiebe ich mich von meinem Ex-Verlobten weg. Wenn ich nicht schon in meiner eigenen Wohnung wäre, würde ich jetzt aufstehen und still und leise nach Hause verschwinden.
Ein bisschen zu laut seufze ich über die missliche Lage, und Marcus schlägt die Augen auf. Ich schnappe mir eilig das Laken. Wo warst du nur gestern, Scham, als ich dich brauchte?
«Hallo», krächzt mein ungebetener Gast verschlafen. Er lächelt breit, und ich prüfe, ob ich irgendeine Spur von selbstgefälligem Grinsen entdecke, aber nein, nicht der geringste Hinweis. Seine Finger streichen leicht und zärtlich über meinen Arm. Schon wieder verrät mich mein verdammter Körper, und mich überläuft eine wohlig schaudernde Gänsehaut. Hör sofort auf damit! Das hat gerade noch gefehlt.
Marcus kuschelt sich an mich. Er fühlt sich sengend heiß an – wunderbar, um bei kaltem Wetter die Füße an ihm zu wärmen, aber nicht besonders hilfreich, um der sexuellen Versuchung zu widerstehen. Ich winde mich aus seinen Armen. Dann nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und sage: «Ich finde, du solltest gehen, Marcus.»
Jetzt ist er hellwach. «Gehen?»
«Gestern Abend das, das war ein Fehler. Ich hätte das nicht zulassen dürfen.»
Er stemmt sich auf den Ellbogen und wirkt alles andere als nicht verstimmt. Seine Finger setzen ihre langsame Reise über meinen willensschwachen Körper und meine viel zu empfängliche Haut fort. «Gestern hast du aber nicht allzu heftig protestiert.»
Spätestens jetzt ist mir definitiv klar, dass ich mich am Vorabend wie geplant mit Schokolade hätte trösten sollen. Darum nämlich ist Schokolade besser als Sex – hinterher braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben. Na ja, zumindest kein ganz so schlechtes. «Ich war einsam und verletzlich.»
«Du warst
sehr
sexy», sagt er und zieht dabei leicht die Augenbrauen hoch. Ich kenne Marcus gut genug, um zu wissen, dass er jetzt meine Bettdecke gleich an einer ganz bestimmten Stelle ausbeult. Ich muss ihn hier rausbefördern, bevor mein Widerstand gänzlich in sich zusammensinkt.
«Wir waren schon viel zu oft an diesem Punkt», sage ich und hülle das Laken enger um mich herum. «Ich mach das alles nicht noch einmal durch.»
Marcus wirkt nicht überzeugt, und mir wird klar, dass ich mich in einer schlechten Verhandlungsposition befinde – nackt neben ihm im Bett.
«Wir brauchen ja nicht wieder miteinander zu schlafen»,sagt er, und an jener ganz bestimmten Stelle beult sich meine Bettdecke nun wirklich unübersehbar aus. «Wir könnten zum Beispiel auch einen langen Spaziergang im Park machen.» Hm. Demnächst wird er mir noch anbieten, Pullover von Gap zu tragen und das Marshmallow-Rösten am nicht vorhandenen Kamin zu übernehmen. Alles Dinge, die ich mit Mr. Sexy geplant hatte.
«Nein», entgegne ich fest. «Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte wirklich, dass du jetzt gehst.»
«Krieg ich nicht mal Frühstück?»
Ich frage mich, wie ich aus dem Bett und an meinen Morgenmantel herankommen soll, ohne mich völlig zu entblättern. Mir fällt kein brauchbarer Kniff ein, und so bleibe ich liegen, was mein Unbehagen nur noch verstärkt. «Es ist besser, wenn du jetzt verschwindest.»
«Für mich nicht», erklärt Marcus. «Ich bin halb verhungert. Und ich liebe dich immer noch, Lucy. Ich weiß, dass wir unsere Probleme hatten …»
Ich will etwas sagen, doch er hebt beide Hände. «Ich habe wirklich Mist gebaut, das gebe ich zu. Aber verhärte doch dein Herz nicht so gegen mich. Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich.»
Und in diesem Moment, noch bevor ich ihm antworten kann, dass er eine neue Lucy vor sich hat, mit der er nicht mehr einfach so umspringen kann – klingelt das Telefon. Weil ich immer noch das Problem mit dem Morgenmantel habe, bleibe ich liegen und lasse den Anrufbeantworter angehen.
«Hi, Herzchen. Ich bin’s.» Beim Klang von Mr. Sexys Stimme bleibt mir der Mund offen stehen. «Es tut mir wirklich schrecklich leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe», sagt er fröhlich. «Hoffentlich hast du dir keineSorgen gemacht. Aber du wirst nicht glauben, was mir hier passiert ist. Nun, hoffentlich hattest du wenigstens schöne Weihnachten, lass uns doch bald nochmal telefonieren. Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich. Hatte ich das schon gesagt? Ich liebe dich. Bis bald, Herzchen.» Mr. Sexy legt auf.
Das klingt überhaupt nicht nach jemand, der gerade mit der Webcam in flagranti ertappt
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