Die Schokoladendiät
wieder Haltung an. «Nein, danke.» Nicht einmal mit einem Marsriegel kann ich ihn erreichen. Das sieht wirklich nicht gut aus.
«Aiden …», versuche ich es vorsichtig.
«Lucy», unterbricht er mich. «Es scheint mir für alle Beteiligten das Beste, wenn Sie sich über Ihre Agentur eine andere Stelle besorgen würden.»
«Sodass du nicht mehr dieselbe Luft atmen musst wie ich?»
«Vorzugsweise.»
«Ich liebe dich immer noch», sage ich und schlucke den Klumpen in meiner Kehle herunter. «Aber wenn du denkst, dass ich besser verschwinden sollte, dann gehe ich.»
«Das wäre ausgezeichnet», antwortet er und macht auf dem Absatz kehrt.
«Aber ich möchte nur noch eine einzige Sache sagen.»
Ich sehe, dass er einen Moment lang schwach wird, doch dann erwidert er: «Mir scheint, hier ist bereits alles gesagt.» Damit geht er weg.
«Jemanden lieben heißt nicht, dass man sich nur um ihn kümmert, wenn einem danach ist», rufe ich ihm nach. «Es heißt, dass man verzeiht, wenn der andere was vermasselt hat.»
Sein Schritt stockt, einen winzigen Moment lang bleibt er stehen, und in meinem Herzen regt sich ein Funken Hoffnung. Doch dann marschiert er ohne einen weiteren Blick zurück in sein Büro.
«Arschloch», knurre ich in mich hinein. Dann merke ich, dass sich alle meine Kollegen von ihrer Arbeit abgewandt haben und mich anstarren. «Was denn?», schreie ich.
Die Leute gehen hinter ihren Schreibtischen in Deckung.
«Nur damit ihr’s alle wisst», brülle ich. «Ich hab’s mal wieder versaut. Irgendwelche Kommentare?»
Blicke senken sich auf Unterlagen oder richten sich starr auf Computerbildschirme. Mit einem Seufzer mache ich mich an die mühselige Aufgabe, die Stücke meines zerschmetterten Schokoladenwalls aufzuklauben. Was für eine triste Metapher für mein Leben.
26
Der
Anruf bei der Agentur war reine Zeitverschwendung. Sie sagten, sie hätten keinen anderen Job für mich, aber das war bestimmt eine Lüge. Vielleicht kursieren in den Unternehmen bereits Warnungen über mich, ganz ähnlich, wie man sich in Kneipen Störenfriede vom Leib hält. Eine Lucy-Lombard-Warnung. All die Firmen, in denen ich bisher schon Flurschaden angerichtet habe, haben garantiert meinen Namen auf irgendeine schwarze Liste gesetzt oder so. Da bin ich mir ganz sicher.
Ich fahre mit der U-Bahn nach Hause, mit schwerem Herzen und dem Gefühl, für immer bei Targa festzustecken, wie ein unglückseliger Geist in einer Flasche, an der niemand netterweise mal reibt. Sollte irgendjemand eine Idee haben, was ich mit meinem Leben anfangen könnte, wäre ich für Hinweise dankbar.
Es ist garstig draußen, und es regnet. Mein schäbiger, alter Schirm bietet kaum einen Schutz und droht ständig, vom Wind umgestülpt zu werden. Das Wetter entspricht genau meinem trübseligen Leben. Und um das Maß voll zu machen, muss ich beim Heimkommen auch noch feststellen, dass Marcus gegenüber meiner Wohnung an einer Hauswand lehnt. Er hat keinen Regenschirm und isttropfnass. Seit unserer weihnachtlichen Begegnung der fleischlichen Art und meinem darauffolgenden Ignorieren seiner Anrufe steht er jeden Abend da draußen. Als er mich erblickt, winkt er mir zu und will über die Straße auf mich zulaufen. «Lucy», ruft er. Doch der Verkehr macht ihm einen Strich durch die Rechnung, und ich schlüpfe eilig in meine Haustür.
Drinnen schüttele ich mir den Regen vom Mantel und werfe den patschnassen Regenschirm zu Boden. Heimlich schaue ich aus dem Fenster und sehe Marcus wieder an seinem Posten an der Wand lehnen. Vor Kälte zitternd betrachte ich ihn einen Moment lang und bewundere insgeheim sein Durchhaltevermögen. Ob Mr. Sexy Abend für Abend im strömenden Regen dort ausgeharrt und nach mir Ausschau gehalten hätte? Ehrlich gesagt bin ich mir da nicht so sicher.
Ich lasse mir heißes Badewasser ein, kippe literweise von meinem Vanilleschaumbad dazu und tauche in das Wasser ein. Während sich alle anderen positiven Effekte seit meiner Rückkehr aus dem Wellness-Hotel allzu schnell verflüchtigt haben, ist meine Haut von der dortigen Behandlung noch seidig und zart. Ich überlasse mich der wohltuenden Wirkung des brühheißen Wassers, atme tief den Vanilleduft ein und bemühe mich, an überhaupt nichts zu denken. Normalerweise stoße ich auf eine große Leere, wenn ich meinem Kopf irgendetwas Nützliches entlocken will. Jetzt aber, wo ich eine kleine Erholungspause sehr gut gebrauchen könnte, schwirren meine Gedanken nur so
Weitere Kostenlose Bücher