Die Schokoladendiät
gesagt», erklärte die Krankenschwester ihr. «Er ist noch bewusstlos.»
Sie wagte es kaum, ihre Angst in Worte zu fassen. «Aber er wird doch wieder gesund?»
Die Schwester legte ihr eine Hand auf den Arm. «Wir geben unser Bestes.»
«Ich habe nicht genug für ihn getan.» Sie brach weinend zusammen, und Addison hielt sie fest. «Ich habe nicht genug getan.»
30
Wir
sitzen alle zusammen in einem abgedunkelten Zimmer von Chantals Privatklinik. Unsere Freundin liegt mit nacktem Bauch auf der Untersuchungsliege.
«Bist du dir wirklich sicher, dass wir hier alle rein dürfen?», flüstere ich.
«Das ist der Vorteil einer Privatklinik», antwortet Chantal. «Ich kriege, was ich will – solange ich dafür bezahle.»
«Ich hab Schokolade da», sage ich. «Als Nervennahrung. Meinst du, die schimpfen, wenn wir die hier essen?»
«Nicht, wenn wir uns beeilen», schlägt Nadia vor. Also lasse ich unauffällig eine Rolle Rolos herumgehen, und wir alle stecken uns mit einem zufriedenen Seufzer ein paar davon in den Mund.
Ich finde es sehr mutig von Chantal, dass sie uns zu ihren Geburtsbegleiterinnen macht. Ich werde jedenfalls im entscheidenden Moment garantiert in Ohnmacht fallen. Ich verliere ja sogar ab und zu beim potenziellen Zeugungsakt das Bewusstsein. Wenigstens Nadia hat das alles schon einmal durchgemacht – mit der Betonung auf «einmal». Besonders eilig hat sie es offensichtlich nicht, diese Erfahrung zu wiederholen. Autumn wird sich wie in jeder Situation als nützlich erweisen. Bestimmt kann sie irgendeinen wehenlinderndenKristall mitbringen, Himbeerblättertee kochen und Chantal unter Gesängen mit Aromaölen einreiben, bis das Baby rauskommt.
Wir warten auf den Ultraschall. Chantals Bauch hat in der letzten Zeit ganz schön an Umfang dazugewonnen, und ihr Schokoladenkonsum hat sich verdoppelt, wenn nicht verdreifacht. Vielleicht isst sie ja auch nicht nur für zwei, sondern sogar für drei?
«Sollte dich nicht vielleicht Ted besser begleiten?», frage ich vorsichtig.
Chantal starrt zur Decke hinauf. «Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihm davon zu erzählen», gesteht sie. «Er hat unser letztes Treffen abgesagt, bei dem ich das Thema zur Sprache bringen wollte. Und jetzt reagiert er auch nicht mehr auf meine Anrufe. Nicht gerade ein gutes Zeichen, oder?»
Wir schließen uns dieser Auffassung schweigend an.
«Mach dir jetzt keine Sorgen deswegen», sagt Nadia und streichelt ihre Hand. «Wir werden dich gemeinsam durch die nächsten Monate bringen, und es wird dir an nichts fehlen.»
Autumn gähnt. «Entschuldigung», stöhnt sie. «Aber ich war die ganze Nacht wach.»
«Erspare uns Informationen über dein ausschweifendes Liebesleben», bitte ich sie. «Oder möchtest du, dass wir grün vor Neid werden?»
«Ich war im Krankenhaus», gibt sie müde zurück. «Richard ist zusammengeschlagen worden – es steht sehr schlecht um ihn.»
«Ach, Autumn.»
«Oh, bitte, sagt jetzt nichts.» Sie hebt abwehrend die Hand. «Ich möchte, dass das hier ein glücklicher Anlassbleibt, aber wenn ihr jetzt anfangt mich zu trösten, heule ich sofort los.»
«Du weißt aber, dass du immer auf uns zählen kannst, oder?»
Autumn nickt. Ich gebe ihr schnell noch ein Trost-Rolo, und sie nimmt es dankbar entgegen.
Die Ultraschallexpertin kommt herein, und schnell verstecke ich den Rest der Schokolade.
«Haben Sie Eintrittskarten verkauft?», fragt sie Chantal scherzhaft.
«Das hier sind meine besten Freundinnen», erklärt Chantal. «Ich wollte, dass sie alle dabei sind.»
«Na, bei uns sitzen sie in der ersten Reihe», schmunzelt die Ärztin. «Fangen wir an.»
Sie schmiert Chantals Bauch mit Gel ein, und dann sind wir die ersten Menschen, die das heranwachsende Leben in ihr sehen können.
«Ach», macht Chantal überrascht. «Ich hatte nicht erwartet, dass es schon so sehr nach Baby aussieht.»
Nadia lacht. «Wie hast du es dir denn vorgestellt?»
«Eher wie eine Kaulquappe», antwortet Chantal. «Das letzte Ultraschallbild war einfach nur ein unscharfer Klecks, aber das hier ist ja schon ein richtiges Kind.» Sie beginnt zu weinen. «Es hat schon Finger und Zehen und alles.»
«Das sieht ganz nach einem kleinen Mädchen aus», wirft die Ärztin dazwischen.
Und jetzt heulen wir alle. «Verdammt», sagt Chantal und blickt mit roten Augen zu uns auf. «Ich kriege wirklich und wahrhaftig ein Baby.»
31
Marcus
ist dann tatsächlich direkt nach dem Film heimgegangen. Da bin ich ganz standhaft
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