Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
verbunden!
Sie sind eine Frau, die sich mit einigem Recht lebensfroh nennen darf. Noch zwei Tage nach der Party, auf die Sie aus Zufall
gelangt waren (eine Freundin hatte sie mitgenommen), überfällt Sie ein unangenehmer Schauer. Wenn Sie nur an die Anis-Schnäpse
zurückdenken, die zu guter Letzt in trauter Runde noch getrunken worden waren und die Ihnen die furchtbarsten Kopfschmerzen
beschert hatten … schlimm. Gestern haben Sie den Tag unter leisen Verfluchungen im Bett verbracht. Na ja, darf mal vorkommen.
Sie blicken an diesem Morgen in den Spiegel, geht schon wieder. Gestern schien Ihr Gesicht furchtbar aufgedunsen, ogottogottogott,
Sie hätten noch nicht einmal der Feuerwehr aufgemacht.
Bruchstückhaft nur noch die Erinnerung. Zuerst der eine Typ … Timo … ja, Timo, erzählte viel von einem Café, das er |155| eröffnet hatte. So schlecht sah der gar nicht aus, dieser Dreitagebart hatte etwas Verwegenes, gut, das Eau de Toilette war
vielleicht etwas streng, aber erst seine Freundin … Sie müssen kurz auflachen, wie die in völliger Auflösung herbeigerannt
war und ihn geohrfeigt hatte. Furie. Ist das wirklich passiert? Kommt Ihnen heute völlig unwirklich vor. Was war mit der bloß
los? Alle denken jetzt natürlich, Sie wären Ursache dieser Ohrfeige gewesen, hätten mit diesem Timo eine Affäre und die arme,
arme Freundin wäre dann halt ausgerastet. Ach, sollen die Leute doch denken, was sie wollen. Gut, ein bisschen rumgeflirtet
haben Sie schon, ihn wohl mal angelächelt, aber gewiss noch im Rahmen, war doch eine Party … Sie möchten jedenfalls nicht
in der Haut dieser, wie heißt sie nochmal, Anja stecken …
Timo meldet sich heute bestimmt, will einen Kaffee trinken, einen Spaziergang machen, eine Ausstellung sei hier oder da, die
könne man doch gemeinsam besuchen, oder ins Kino gehen! Sie kennen die Männer. Nein, niemals! Es ist immer schlecht, wenn
die noch tief im Beziehungschaos stecken, dann wird man schnell zur unseligen Dritten, muss sie dann abwechselnd im Bett und
im Café trösten. Das machen Sie nicht!
Ein Mann wäre trotzdem mal wieder an der Zeit. Schon der Gewohnheit wegen. Ist doch alles abgeklärt genug im Leben, so ein
Mann, muss ja nicht gleich was Ernstes werden, da kann man sich hineinsteigern für eine Weile. Der andere Typ war ja … Sie
hassen dieses Wort, es fällt ihnen trotzdem ein … süß. Der andere, mit dem Sie ins Gespräch |156| gekommen sind, nachdem Sie nach der Ohrfeigensache auf Abstand zu Timo gegangen waren. Hat er Sie angesprochen oder Sie ihn?
Eigentlich wissen Sie nicht einmal mehr genau, wie der aussah, war ja auch schon spät, überall dieses Getuschel, mit ihm haben
Sie sich in eine wenig frequentierte Nische zurückgezogen und, ja, ziemlich viel gelacht, gelästert, der hatte jedenfalls
Humor. War nach dem Wirrwar mit der Ohrfeige jedenfalls ziemlich entspannend. Haben Sie ihn geküsst? Mein Gott, wenn Sie das
noch wüssten, der ist jedenfalls dann irgendwann abgezogen. War ein ganz kleines bisschen kränkend, schon, heißt aber noch
nichts, Sie haben ja Nummern ausgetauscht. Wie hieß der nur nochmal? Danach, in der Küche, gab’s dann jedenfalls diesen Anis-Schnaps.
Auf den hätten Sie wirklich verzichten können!
Man kann schon fast die Uhr nach den Männern stellen, denken Sie sich mit einer Vorahnung, da ihr Handy mit einem zweifachen
Piepsen den Eingang einer SMS signalisiert. Einen Tag nach einer Party melden die sich nie. Aber am darauffolgenden Tag immer.
Timo, klar: »Kaffee? Heute? Oder morgen?«
Von dem lassen Sie mal schön die Finger, wahrscheinlich hat sich der Streit mit seiner Alten noch etwas zugespitzt. Aber ganz
flott, die SMS, kein großes Gewese, gefällt Ihnen. Irgendwo in Ihrer Tasche muss der Zettel mit der Nummer des Anderen stecken.
Lippenstift, Taschentücher, Tampons, Kalender, kein Zettel, verdammt. Sie durchsuchen Ihre Jeans, nur die zusammengeknüllte
Folie einer Zigarettenschachtel. |157| Vielleicht haben Sie die Nummer gleich im Handy abgespeichert, ja, so muss es gewesen sein, aber unter welchem Namen? Unter
einem Sonderzeichen, einem Sternchen nur, genau, der Eile wegen, so muss es gewesen sein. Da ist sie. Sie schreiben ihm eine
SMS: »Kaffee? Heute? Oder morgen?«
Die Antwort erfolgt erst am späten Nachmittag, den Sie vor dem Fernseher verbringen, irgendeine DVD mit Walter Sindman, beinahe
wären Sie eingenickt während einer geschwätzigen
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